Die Nacht beginnt spät. Es wird früh dunkel, die Nacht beginnt aber trotzdem spät. Um 21.30 Uhr, nach alter Uhrzeit immerhin um halb elf und damit für das Schachkid sehr spät, entschlummert das Schachkid. Um 23.30 Uhr wird es wieder wach. Wildes Geschrei, vor allem ein Typ mit einer extrem nervtötenden Stimmer mit einer Kreuzung aus Verona Feldbusch und Grobi aus der Sesamstrasse. Das Schachkid glaubt an einem Streit auf dem Parkplatz. Nach dem das Schachkid das dritte Mal aus dem Schlaf gerissen wird, geht das Schachkid im Schlafanzug auf Erkundungstour. Der Lärm wird im Zimmer nebenan lokalisiert, wo lautstarke Diskussionen statt finden. Das Schachkid klopft an die Tür und begehrt Einlass. Eine junge Holländerin, die den Schachkid bis an den Bauch reicht, verspricht Besserung. Der Typ im Hintergrund ist natürlich zu faul zum Aufstehen. Immerhin, dann war Ruhe. Und das Schachkid schläft auch wieder ein, nachdem es noch zwei Stunden Videos auf TikTok geschaut hat. Teufelszeug, diese sozialen Medien.
Am Brett angekommmen, misst das erwartete kleine Mädchen immerhin 1,75m. Der daneben stehende Mann schaut grimmig und hat ein Gesicht, das wahlweise vom harten oftfriesischen Wetter oder ziemlich viel Alkohol ramponiert aussieht. Die Partie ist mal wieder so ein Beispiel dafür, dass diese Zahlen einfach nichts bringen. Nach 11. …. f4 bleibt dem Schachkid fast das Herz stehen und sieht schon den Läufer verloren. Ein Bauer muss geopfert werden. Der wird später zurückgewonnen, dazu noch ein zweites Exemplar, das wieder verloren geht. Im Angesicht des Endspiels einigt man sich auf Remis.
Das Schachkid ist frustriert und hofft auf zarte Schweinelendchen. Das Restaurant sorgt fürs Amusement. Ein Kind will Pommes und zahlt mit einem Zwacken den Preis von 4,30 €. Der heiße Kellner, heute im Frühdienst, reicht 5.70 € zurück. Eine Minute später taucht er wieder auf und reicht noch einen Zehner nach. Völlig zerknautscht schaut er aus und meint in Richtung des Schachkids, es sei zu früh, er sei noch nicht wach. Anschließend beäugt er mit hochgezogener Augenbraue einen anderen Gast, der ziellos im Restaurant umher geht. Diese Kellner erinnnert frappierend an eine wohl bekannte gastronomische Fachkraft.
Abends der gleiche Kellner, er mag so Mitte 20 sein. Eine aufgedonnerte Blondine um die Mitte 40, zu enge Leggings, überschminkt, Glitzerhandtasche, gerade einer Sendung von RTL2 entsprungen, fragt den Kellner, ob er verbandelt sei. Er gibt keine Antwort. Die Blondine setzt nach, ob eine Frau oder gar ein Mann vorhanden sei. Wieder keine Antwort. Bei der Blondine bleibt die Nacht der Ofen wohl kalt.
Eine andere Kellnerin ist kräftig am Körper, aber nicht in der Auffassung. Ein im Stimmbruch befindlicher Jugendlicher erbittet Pommes. Die Kellnerin bringt Pommes mit Bratwurst. Der Jugendliche kiekst, er habe nur Pommes bestellt. Die Kellnerin “Das Gericht gibt es bei uns nur so.” Der Jugendliche merke an, er habe die letzten beiden Tage auch nur Pommes gehabt. Die Kellnerin “Das Gericht gibt es bei uns nur so.” Das Schachkid denkt, durch stoische Wiederholung wird das Argument nicht besser. Der Jugendliche kiekst nun aufgeregt, er sei Vegetarier und könne die Wurst nicht essen. Und er habe sie auch nicht bestellt. Die Kellnerin “Das Gericht gibt es bei uns nur so.” Der Blondinen verschmähende Kellner eilt herbei, rettet die Situation, kassiert die Wurst ein und reicht Pommes pur.
So erfrischt und mit guter Laune ausgestattet macht das Schachkid einen Spaziergang. Leider ist das Hotel fast 2 km von der historischen Altstadt weg. Also muss der jüdische Friedhof als Sehenswürdigkeit her halten, immerhin nur 500m entfernt. Merkwürdigerweise ist er nicht ausgeschildert. Und sieht zu Halloween im Novembergrau auch recht beklemmend aus.
Zurück im Hotel wartet ein Doktor. Leider nicht so ein netter dicker Dokor, sondern ein dem Schachkid recht unsymphatischer Doktor. Der Mann hat dem Schachkid nichts getan. Aber er trägt keinen Vollbart. Das Schachkid vertritt mittlerweile die klare Ansicht, dass Doktoren einen Bart zu tragen haben, den sie beim Denken kraulen können.
Der Kommentar von Chessbase “Weiß wurde aus der Eröffnung heraus überrannt!” charakterisiert die Partie zutreffend. Das Schachkid wählt mit a4 eine völlig falsche Strategie und hat dem aktiven gegnerischen Läuferpaar außer einer Tasse Kaffee nichts entgegenzusetzen.
Es bleibt, den Abend bei Cognac und Bier zu beschließen. Der Senior vom Vorabend ist wieder da. Man plaudert angeregt. Der Mann ist 66, sieht aus wie 50 und spielt neben Schach noch Tischtennis. Kegeln tut er auch noch. Daher kennt er auch Potsdam. Vom Ausflug mit dem Kegelclub. Sein Berufsleben hat er 1.000m unter der Erde verbracht, im Kalibergwerk. Das ist beeindruckend und interessant. Da sei dem Mann auch seine nächste Kreuzfahrt gegönnt.
Das Schachkid geht nun zu Bett und wappnet sich erneut, im Hotelzimmer nebenan zu intervenieren.