Bremen fällt dieses Jahr aus. Leider stand dies erst sehr spät fest, sodass der Doktor und das Schachkid spät auf alternative Pläne umschwenken mussten. Das heimatliche Spandau war schon voll. Trotzdem fragt man sich in Bad Schwartau, warum man nicht in Spandau mitspielt. Leider gab es nur ein anderes Turnier, das in einem Hotel statt findet. In Böblingen, was aber einfach zu weit weg ist.
So sucht man das Heil in Bad Schwartau. Das Schachkid hat den dicken Doktor und sich im Hanseatischen Hof in Lübeck einquartiert. Das Hotel kennt das Schachkid schon von diversen Dienstreisen. Immerhin die Schranke zum Parkhaus, in die das Schachkid quasi aus Versehen im Sommer mit einem Dienstwagen eine Delle reingefahren hat, scheint repariert worden zu sein.
Sonst ist das Hotel ein Schatten seiner Selbst. Hier fand einst die Deustche Schnellschachmeisterschaft statt. Das Hotel war ein edles mit tollem Restaurant, toller Bar, vielen Salons und auch sonst sehr plüschig ein wenig wie das Sacher in Wien. Dann starb der Eigentümer. Die Erben verkauften das Hotel an eine Immobilienfirma, die das Hotel laut eigener Aussage weiter entwickeln wollte. Die Heuschrecke hatte aber nichts besseres zu tun, als ein Jahr später allen Angestellten zu kündigen, das Hotel zu schließen und Wohnungen zu bauen.
So zumindest der Plan. Dann kam die Inflation, die Zinswende usw. Die eine Hälfte des Hotels steht seitdem ungenutzt leer. Die andere Hälfte hat eine arabische Großfamilie gepachtet, die sich alle Mühe gibt, den Laden am Laufen zu Halten. Hier sind das Schachkid und der Doktor nun und brausen jeden Tag 10 km zur Krummlandhalle einer Schule in Bad Schwartau.
Dies scheint ein Stressfaktor zu sein. Der dicke Doktor ist jedenfalls noch grummeliger, als er es sonst am frühen Morgen ist und schaut aus der Wäsche, als wüsste er gar nicht, was er eigentlich hier macht. Die Krummlandhalle gehört zu einer Schule, wo man nirgends parken kann. So wird der Doktor zwecks Anmeldung aus dem Auto geworfen, während das Schachkid umliegende Parkhäuser erkundet.
Bis 9.15 Uhr ist die Anmeldung offen, danach soll es um 10.00 Uhr losgehen. Und wieder einmal fragt sich das Schachkid, warum man die Anmeldungen nicht einfach auslosen kann und guckt, wer kommt. Die Lokalzeitung titelt etwas von einem internationalen Turnier mit Titelträgern. Die Nr. 1 der Liste FM Karsten Schulz taucht jefenfalls nicht auf. Immerhin ein IM, ein CM und eine WGM sind anwesend, letztere nur mit 1800 Elo. Aber dafür ca. 120 bodenständige Teilnehmer. Die Halle bietet Platz. Es gibt ein preiswertes Catering. Die Bügermeisterin ist auch da und hält eine kleine Ansprache. Also fast alles wie im heimatlichen Potsdam.
Das Schachkid spielt die Eröffnung hervorragend und kommt im Mittelspiel groß raus. 18. Sf5 sieht das Schachkid auch und geht erstmal einen Kaffee holen. Der Gegner spielt es trotzdem. Das Schachkid dachte, das macht nix, man kann ja die Dame tauschen. Blöderweise kann der gegnerische Springer mit Schach schlagen. Das Schachkid denkt, es hat einen Turm eingestellt und gibt auf. Die Engine weisst darauf hin, das man Sf5 ja auch mit dem Läufer schlagen könne und nur die Qualität flöten gehe. Das Schachkid ist offenbar noch nicht ganz angekommen.
Der Doktor hat eine jugendliche 1500 und quält sich vier Stunden bis zum Sieg, Das Schachkid nutzt die Chance, das Zentrum zu erkunden. Das ist nicht weit weg, hat aber auch nicht viel zu bieten. Außer den Charme der 80er, Historisches gibt es nicht, keine Kirche weit und breit. Ein paar Läden. Und ein großes afghanisches Restaurant, in dem das Schachkid für drei Stunden der einzige Gast ist. Man sei noch neu, sagt der Kellner. Aber Bad Schwartau scheint noch nicht reif zu sein für afghanische Küche, die tatsächlich sehr lecker ist. Überhaupt sehen die Einwohner von Bad Schwartau sehr bodenständig aus. Nicht so hipp wie im unweiten Timmendorfer Strand, wo das Schachkid ab und an mal ein Seminar hat. Das Restaurant zieht jedenfalls alle Register und spielt entspannten Jazz. Wie der Dokor zutreffend feststellt – ein Ort, wo sich das Schachkid sehr wohl fühlt, Entspannte Musik, es ist ruhig und das Schachkid kann aus dem Fenster auf die Strasse gucken. Das Restaurant möchte auch gerne bei Google bewertet werden. Das Schachkid gibt sogleich der Kellerin bekannt, dass es bei Google als Scout Level 8 tätig sei. Der Doktor merkt kritisch an, das Schachkid solle nicht immer so flexen. Das Schachkid ist irritiert, da es eher selten handwerklich mit einer Flex arbeitet.
Das Schachkid hat es nun nach hinten in die zweite Halle, eine abgetrennte recht kühle Sporthalle verschlagen. Ein Jugendlicher mit französischen Akzent befragt das Schachkid, wer hier zuständig für die Basketbälle sei. Ob das Schachkid wisse, wo hier die Basketbälle sind. Das Schachkid hat keine Ahnung und kann nicht weiter helfen, hat aber auch leichte Zweifel, ob man jetzt in der anderen Hälfte der Sporthalle, wo keine Bretter stehen, Basketball spielen kann.
Das Schachkid spielt am Brett 47. Am Brett 46 nebenan spielt eine 800 DWZ, die nach einer Stunde umgelegt wird. Am anderen Nachbarbrett Nr. 48 wird ein sechsjähriger nach 10 Minuten matt gesetzt. Nur das Schachkid hat wieder einen motivierten jungen Mann ohne Zahl, der zufällig in der Gegend zu Besuch ist, sich kurzfristig nach einem Schachtunier umgesehen hat, sein erstes Turnier spielt, während der Pandemie das Schach erlernt hat und auch sonst nur online zockt. Was hat das Schachkid nur immer für ein Pech.
Das Schachkid hat einen klaren Plan. 25. Th5 kann nicht gut sein. Da gibt es einen Bauern zu gewinnen und einnen Freibauern durchzubringen. Leider ist der Gegner am Königsflügel mit seinem Mattangriff schneller. Das Schachkid versäumt, die Dame zurück zu ziehen, um den König zu schützen.
Der dicke Doktor müht sich derweil gegen eine zottelige 1500 ab unnd benötigt fast 4,5 Stunden. Das Schachkid sieht das geplante Abendessen entschwinden und sucht daher das lokale Catering auf. Man hat noch drei Fischbrötchen, auf dem ein Salat bestehend aus Fisch und Rote Beete zu finden ist. Das Schachkid nimmt den Teller entgegen. Die Mitglieder des Bad Schwartauer Vereins und verantwortlich für das Catering sehen den geeigneten Zeitpunkt gekommen, um zu diskutieren, ob das eine norddeutsche Spezialität sei. Mitglied A verneint, Mitglied B schaut irritiert und bejaht. Das Schachkid schlägt Grünkohl vor. Mitglied A argumentiert, Rote Beete esse man nur in Vorpommern. Aber hier sei man in Schleswig-Holstein. Dem Schachkid schmeckt es ausgezeichnet.Der dicke Doktor ist immer noch nicht zu sehen.
Das Schachkid geht zur Makrele über. Als ein langhaariger Senior auf das Schachkid zusteuert und fragt “Spielen Sie Schach?”. Das Schachkid ist irritiert und weiß nicht recht, was gemeint ist. Im Augenblick ist das Schachkid eine Makrele, spielt also gerade kein Schach, ist aber hier bei einem Schachturnier. Spielt also offensichtlich Schach. Das Schachkid antwortet vorsichtshalber “Heute nicht mehr”. Was den Senior seine Frage am nächsten Tisch wiederholen lässt.
Um 20.30 Uhr hat es der Doktor endlich geschafft und ist froh, keiner hungrigen Furie, sondern einem gesättigten Schachkid gegenüber zu stehen. Der Doktor plädiert für einen Ausflug in den lokalen Penny. Das Schachkid entdeckt ein Restaurant namens “Goldenen Schwan”, was vorgemerkt wird, verfährt sich wie immer, denn es sieht ja nix. Die Scheinwerfer sind an, aber beleuchten eigentlich nichts. Im Hotel angekommen, sind die Zimmer nicht gereinigt. Das Schachkid beschwert sich sogleich an der Rezeption. Man solle doch am nächsten Abend vorbei kommen für eine kleine Wiedergutmachung. Das Schachkid ist gespannt.