Der zweite Spieltag mit Runde 3 und 4 steht heute an, Erfolge sind heute Mangelware. Das Schachkid bekommt deutlich stärkere Gegner zugelost. Der dicke Doktor darf sich gleich mit der Nummer 1 der Setzliste des Turnieres herumschlagen mit deutlich 2400 Elo, der aber nicht auf Platz 1 der Turniertabelle liegt. Dort trohnt mit 3 aus 3 ein junger FM, der nicht nur jung ist, sondern auch irre hinter seiner Maske kichert, wenn er mit dem Schachkid Fahrstuhl fährt.
Immerhin, die Brandenburger Fahne wird von Aaron Matthes hochgehalten, der in Runde 3 eine WFM besiegt und in Runde 4 dann gegen einen echten FM (Was sollen nur diese weiblichen Titel?) remisiert. Mit 3 aus 4 spielt er vorne mit. Sein Kumpel Felix hatte mit 2,5 aus 4 einen gleichen Durchhänger, aber wird vielleicht wieder aufschließen.
Nach dem Proseccofrühstück wartet nun erstmal ein Senor, der reichlich nachdenkt. Das Schachkid hofft schon auf einen Gewinn auf Zeit.
Der Senor spielt das Englisch etwas unkonventionell, aber erfolgreich. Die Variante mit Sh6 und dann Sf5 kennt das Schachkid jedenfalls nicht. Das Schachkid findet jedenfalls keinen rechten Plan. Der Senor greift halbherzig am Königsflügel an, da passiert aber nicht viel. Das Schachkid sucht das Spiel am Damenflügel und denkt, da geht was. Mit 22.b4 wird energisch der Turm angegriffen, der muss dann wohl reagieren. Tut er aber nicht. Schwarz zieht den Springer. Es dauert eine kleine Weile, bis das Schachkid merkt, dass gerade seine Dame gefangen genommen wurde. Der ziemlich nette Senor grinst über das Brett und kommentiert: “Das war dann wohl ein Schummelzug.” Ganz klar, für diese Momente wird das Schachkid echte Turniere immer dem Onlineschach vorziehen.
Vom Schachbrett aufgestanden und im Zimmer angeommen, ist die Zimmerreinigung nicht erfolgt. Dabei hat sich das Schachkid extra am Vortag vormerken lassen. Für 90 € pro Nacht kann man als gast jawohl erwarten, dass wenigstens mal der Mülleimer ausgeleert wird. Erneutes Vorsprechen an der Rezeption – später sieht das Zimmer halbwegs ordentlich aus.
Der dicke Doktor spielt fast 4,5 Stunden. Und es sieht auch lange gut aus. Das Schachkid isst in der Tapasbar Nürnberger Bratwürstchen zu Rotwein und schaut dem dicken Doktor zu. Das geht – Zuschauer sind nicht erlaubt. Also überträgt der Organisator des Turnieres kurzerhand alle 60 Bretter ins Internet. Der dicke Doktor belagert einen Bauern, den der Gegner verteidigt. Da kommt der Doktor nicht ran und sucht aktives Spiel. Binnen weniger Züge kippt die Stellung total zu Ungunsten des Doktors. Schade, aber lange durchgehalten. Da hat er sich seinen Mittagsschlaf verdient.
Das Schachkid besichtigt derweil die Böttchergasse, eine der Berühmtheiten Bremens. Das Schachkid kann es nicht fassen, dass diese Stadt incl. Umgebung, die kaum größer und bevölkerungsreicher als Neukölln ist, ein eigenes Bundesland ist. Die Böttchergasse wurde jedenfalls 1920 erbaut, ist eine verwinkelte Gasse mit viel Kunsthandwerk in Backsteinhäusern – sehr sehenswert.
Die Gegner werden nicht schwächer – ein rustikaler netter Bayer im Cowboyhemd wartet am Brett.
Es geh auch lange gut. Das Schachkid steht +2, nachdem es den gegnerischen Königsflügel zerlegt hat. Das Schachkid fasst den falschen Plan und gedenkt, einen Minoritätsangriff am Damenflügel anzubringen. Das Jannileinchen (=Trainer) wird wohl später feststellen, dass das vielleicht zu langsam ist und das Schachkid schon am Königsflügel reagieren müsste. Der Bayer opfert einen Turm und droht unausweichlich Matt.
Der dicke Doktor hat eine Dame, die bauchfrei am Brett sitzt. Immerhin vier Stunden hat er zu tun. Das Schachkid macht Gewinnspiele und verfolgt das Geschehen vom Brett aus. Der Doktor steht +4,5, schafft es aber Zug für Zug, seine Stellung zu verschlechtern und zum Ausgleich zu bringen. Das Schachkid schläft mal kurz ein halbes Stündchen, da steht die Stellung nur noch bei +2. Das Schachkid verfolgt nun gespannt das weitere Geschehen und gibt die Vorschläge der Engine per Whats App durch. Das nutzt dem dicken Doktor natürlich nichts, da er ohne Handy am Brett sitzen muss. Dafür freut er sich um so mehr später über die vielen Nachrichten. Man muss sagen, er hatte keine einfache Stellung, nicht leicht zu spielen.
Es ist schon wieder spät. An der Hotelbar ist aufgrund des Schachkids Beschwerde verbrannte Erde. Es muss daher ein externes Restaurant gesucht werden. Die Tapasbar ist gegenüber dem Mittag voll und laut, das Schachkid leht ab, der Doktor guckt hungrig und böse. In der Innenstadt wird man fündig. Das Restaurant der Wahl hat zu, das nächste Lokal schließt um 20.00 Uhr die Küche und verweist auf den Rathauskeller. Dieser ist hübsch urig, hat Holztische, große schmucke Fässer und ähnlich wie in einen Zug in der Wand abgetrennte “Kabinen”, in eine werden der Doktor und das Schachkid einquartiert. Man sitzt intim und verdeckt, der Doktor bekommt Angst. Den Kellner heran zu locken, ist eine Herausforderung. Lokal gibt es nur Becks, das Bier wird in Bremen gebraut. Für einen Nachtisch reicht es noch, ein Obstler wird auch noch getrunken. So gestärkt werden am nächsten Tag Punkte gemacht.