30. November 2014

Verbohrte Spieler in Weißensee

Das Schachkid machte sich am 29.11.2014 auf den Weg nach Berlin Weißensee zum Schnellschachturnier der Grand Prix Serie 2014/15 bei der SG Weißensee. Bei dieser Schnellschachserie können sich die Gewinner für ein finales Schnellschachturnier qualifizieren. Ganz entspannt warf das Schachkid beim Frühstück einen Blick auf die Teilnehmerliste. Das Schachkid war stolz auf seine funkelnagelneue 1547 DWZ und glaubte sich im Mittelfeld. Von wegen! Die Berliner Turniere sind stark besetzt, das Schachkid stand auf Platz 48 von 56.

Frohgemut fuhr das Schachkid trotzdem los, wie immer zu spät. Mit 170 km/h brauste es den östlichen Berliner Ring hinauf, aufgepeitscht von den Danceklassikern der 90er auf Sunshine Live, wo Onkel Kurti einen fantastischen Mix spielte.

Mit 46 Teilnehmern nahmen beim 10-jährigen Jubiläum fast 20 Spieler weniger als 2013 teil. Frank Walther als Vertreter des gastgebenden Vereins eröffnete das Turnier. Er hat ein beeindruckendes Stimmvolumen. Das Schachkid vermutet, dass er als Opernsänger arbeitet, oder als Musiklehrer.

Um Verwerfungen im Teilnehmerfeld zu verhindern, wollte der Ausrichter nur sieben statt neun Runden spielen. Das freute das Schachkid, weil es um 16.00 Uhr zu einem Weihnachtskonzert der Wiener Sängerknaben nach Potsdam wollte. Prompt meldete sich ein Spieler lautstark zu Wort. Ob eigentlich jemand die anwesenden Spieler gefragt habe. Er habe Startgeld (12 Euro) für neun Runden bezahlt. Nun wolle er auch neun Runden spielen. Man müsse sofort abstimmen. Dem Turnierleiter war es einerlei, er setzte neun Runden an.

Dem Schachkid sind solche Leute zutiefst zuwider. Es mag keine Menschen, die allzu verkrampft durchs Leben gehen, alles voller Ernst und ohne Spaß betreiben und gemäß dem deutschen Klischee auf Formalitäten bestehen. So wie dieser unsympathische Spieler, der total empört und lautstark forderte, für 12 Euro zu erhalten, was ausgeschrieben war. Dem Schachkid braust es.

Das Schachkid stieß zum Ausgleich auf die gechillte Familie Georgi aus Fürstenwalde. Dementsprechend empfahl Vater Georgie auch gleich dem Film “Es lebe der Zentralfriedhof”. Das Schachkid wird es googeln. Die Rechtschreibhilfe des Tablets macht an dieser Stelle aus googeln immer vögeln, nur Gott allein weiß warum.

Der Vater, der jede Partie seines Sprösslings abfilmt,war wieder da. Stefan Lippianowski, Spitzname Lippi, war auch mit da. Von diesem Spieler ist das Schachkid sehr beeindruckt. Lippi sitzt im Rollstuhl, scheint spastisch gelähmt zu sein und benötigt stets einen Betreuer. Trotzdem spielt er Schnellschach, nicht sehr gut, aber voller Lebensfreude. Der Betreuer macht die Züge, Lippi zeigt die Felder auf einem Blatt Papier. Das Schachkid fragt sich ernsthaft, ob es selbst soviel Lebensfreude im Rollstuhl empfinden könnte.

In der ersten Runde bekam es das Schachkid mit Holger Niese zu tun. Das Schachkid wollte Caro-Kann spielen, konnte sich aber beim besten Willen nicht an den ersten Zug erinnern. D6 war es jedenfalls nicht. Nachdem das Schachkid noch einen Läufer stehen ließ, holte es sich erst mal einen Kaffee.

In der zweiten Runde rückte mit Günther Ahlberg ein Senior an. Genauer gesagt begann die Runde und der Senior, der die schwarzen Steine führen sollte, war nirgends zu sehen. Da das Schachkid ein sehr höflicher Mensch ist, drückte es nicht die Uhr, sondern wartete ab. Nach drei Minuten kam der Senior, drückte noch im Stehen die Uhr,setzte sich dann und gab dem Schachkid erst dann die Hand, dass dieses seinen ersten Zug machen möge. Das Schachkid war sprachlos ob dieser Unhöflichkeit und hofft inständig, mal ein lieber und entspannter Senior zu werden. Die Partie verlor das Schachkid unspektakulär. In der slawischen Variante der englischen Eröffnung opferte das Schachkid den c- Bauern, um Druck auf b7 auszuüben. So hatte es das Schachkid in einem Buch gelesen. Leider verlor das Schachkid noch zwei Bauern. Der Senior hatte eben Lebens- und Spielerfahrung.

In der dritten Runde war das Schachkid nicht in der Lage, die 2m Weg vom Aushang der Auslosung bis zum Brett sich seine Farbe zu merken. So saß es falsch, als mit Jürgen Frischmuth der nächste Senior auftauchte. Der war das ganze Gegenteil vom letzten Senior, wunderbar entspannt und lustig. Man einigte sich fix auf Remis.

Beim Tippen dieser Zeilen wendet das Schachkid den Blick nach rechts und fragt sich, warum Jugendliche Baggyjeans tragen. Dies sind, lieber Leser, besonders tief sitzende Hosen. Vermutlich will die Jugend der Welt mitteilen, dass die blau-rot-weiß karierte Boxershorts trägt. Das Schachkid empfiehlt an dieser Stelle dem männlichen Leser Unterwäsche von Bruno Banani. Da trägt man wenigstens was lustiges drunter. Die Fürstenwalder haben übrigens schon zwei aus drei Punkten, ein starkes Vater-Sohn-Gespann.

Kein guter Tag für das Schachkid. Auch gegen den schwächeren Gabriel Helmich in der vierten Runde sah das Schachkid kein Land und musste traurig die zwei Mehrbauern zur Kenntnis nehmen. Das Schachkid beschloss, sich mit der selbst gemachten Kartoffelsuppe zu trösten. Nach der nächsten Runde wird sich das Schachkid dem anmutig ausschauendem Käsekuchen zuwenden. Nach Meinung des Schachkids ist dieses Turnier ein kulinarischer Geheimtipp.

In der fünften Runde geht es gegen den vermutlich Jüngsten des Turniers, Bao Anh Le Bui, zur Sache. Der kleine kennt sich gut im Caro-Kann aus. Dem Schachkid sind die Züge nach zwei Tassen Kaffee wieder eingefallen. Das Schachkid spekuliert auf die Zeit, denn die Stellung gibt keinerlei Anlass für Spekulationen. Man findet sich im Endspiel wieder. Schachkid hält nach gegnerischen Springergabeln mit Schach Ausschau. Bao hat keine, also zieht das Schachkid seinen Läufer, genau auf ein Feld, was der Springer in Augenschein nimmt. Bao nimmt und das Schachkid geht zum Käsekuchen. Was macht der kleine Bao? Klappt sein Laptop auf, und spielt, was auch sonst, in der Pause Schach.

Nun traf die Auslosung Lippi und das Schachkid. Beide kennen sich bereits aus Falkensee und kreuzten dort vor drei Jahren die Klingen. Damals gewann das Schachkid leicht, diesmal wurde es schwerer. Lippi hat an Spielstärke zugelegt und brachte das Schachkid in der Englischen Eröffnung in Bedrängnis. Leider ließ Lippi in der Zeitnot die Dame stehen. Schönes Spiel, netter Gegner.

Der Gegner Markus Hempel fand die Partie in der sechsten Runde komisch, das Schachkid auch. Es nahm den Punkt trotzdem dankend mit. Komisches geschah auch an den Nachbarbrettern. Der kleine Bao rief J’adoube und rückte eifrig seine Figuren zurecht. Der Gegner und Senior merkte lautstark und missmutig an: „Das machst Du nur einmal und nicht öfter.“ Das Schachkid zuckt hier mal wieder mit den Achseln und fragt sich, warum manche Spieler beim Schach so ernst und verkrampft mit Kindern umgehen.

Gänzlich unverkrampft erklärte am rechten Nachbarbrett ein 14-jähriger seinem 70-jährigen Gegner, dass man bei der langen Rochade erst den König und dann den Turm anfassen müsse und nicht umgedreht. Der Senior nahm den Hinweis lautstark unter Protest zur Kenntnis.

In der achten Runde wurde das Schachkid mit den Waffen einer Frau bekämpft, gegen die das Schachkid bekanntermaßen unempfindlich ist. So gab es ein wildes Gemetzel. Die sympathische Lena übersah den Damengewinn. Das Schachkid wähnt sich im Glück, Remis und einen halben Punkt für beide.

Das Schachkid wendet beim Tippen dieser Zeilen seinen Blick nach rechts und sieht ein kleines Schachkid weinen. Es hat verloren. Der Schiri eilt tröstend herbei und meint: „Merke Dir die Gesichter. In fünf Jahren nietest Du die um.“

Die letzte Runde brachte Ben-Luca Schreiber, ein Berliner Nachwuchsspieler vom SC Kreuzberg. Das Schachkid war schon nicht mehr bei der Sache, da es nach Potsdam zum Konzert der Wiener Sängerknaben aufbrechen wollte. Nach einiger Zeit wurde das Schachkid von Ben-Luca auf den Umstand hingewiesen, dass es soeben Bens Läufer hätte nehmen können. Vor lauter Freude über diesen Hinweis lies das Schachkid drei Figuren in Folge stehen, drei Figuren in drei Zügen. Das soll dem Schachkid erst mal jemand nachmachen.

Aus spielerischer Sicht war das Turnier ein ziemlicher Flop, hat aber trotzdem viel Spaß gemacht. Nette Leute und eine nette Atmosphäre in Weißensee und ein Gastgeber, der in jeder Runde Preise verlost. Das Schachkid wird wieder kommen.

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