Manchmal kommt sich das Schachkid wie ein Harry Potter zweiter Klasse auf der Suche nach dem goldenen Schnatz vor. Ewig knetet und bearbeitet das Schachkid eine Stellung, viele Züge lang und viele Stunden auf der Suche nach einem kleinen Vorteil. Das Schachkid steht immer einen Hauch besser. Harry Potter findet den Schnatz, das Schachkid spielt nur Remis und findet einfach keinen Gewinnweg. Liegt es an mangelnden positionellen Fähigkeiten? Oder liegt es an der Eröffnung? Ist die Slawische Verteidigung zu passiv? Wer eine Antwort auf 1.d4 kennt, die zu dynamischen Stellungen führt, möge sich beim Schachkid melden.
Am 7. Dezember 2014, ein Tag nach Nikolaus war es, als sich die Briesener in den dunklen und tiefen Oderbruch nach Bad Freienwalde zum Punktspiel der Regionalliga Ost begaben. Das Schachkid kam mit fast leeren Tank angefahren und fragte sich bange, ob a) der Sprit noch reicht und b) wann endliche eine Tankstelle kommt. Tatsächlich liegt nur eine einsame Aral-Tankstelle zwischen Fürstenwalde und Bad Freienwalde am Wegesrand. Dafür war es aber mit 1,27 € / L extrem billig. So billig hat das Schachkid seit 2006 nicht mehr getankt, jedenfalls nicht in Deutschland.
Die Briesener rückten nur mit 7 Mann gegen die Königsjäger an. Marco Jäger am 7. Brett brachte Bad Freienwalde somit in Führung. Glücklich sah der Königsjäger jedoch nicht aus. Möglicherweise ahnte er bereits, was für ein langer Tag noch vor ihm liegen sollte.
Zum großen Missfallen des Schachkids gab es nirgends Kaffee. Das Schachkid wird künftig Punktspiele, wo es kein lebensnotwendiges Koffein gibt, nur noch unter großen Protest spielen.
Auch die einzige Briesener Dame Vicky konnte sich auf einen besonderes Schmankerl freuen, die einzig vorhandene Toilette (diese eine, sie zu knechten…) , die sie sich mit den anwesenden Männern teilen musste. Der gegnerische Mannschaftsleiter war jedoch sichtlich erfreut, mal eine Dame in der Herrenrunde begrüßen zu dürfen und ermahnte die anwesenden Herren, die Backen zusammen zu kneifen, wenn die Dame an dem Ort verweile, wo der Kaiser zu Fuß hingehe. (=WC, Vorschlag von https://www.openthesaurus.de/ )
Der Bad Freienwalder Mario Leipert machte am achten Brett kurzen Prozess und überrannte Lothar Bindernagel innerhalb von einer Stunde. Der Vertreter der Gastgeber dopte sich massiv mit zwei Packungen Maoam, die er in einer halbe Stunde verputze. Das half! Der Briesener sah sich einem starken Angriff ausgesetzt und schaute nach frühen Abtausch der Damen bald frustriert auf seinen Doppelbauern am Königsflügel. Leipert setzte den Angriff in der Brettmitte fort, Bindernagel musste einen Bauern geben, um den Verlust des Springers zu verhindern. Zwei weitere Bauern fielen bald am Damenflügel, so dass Bindernagel mit drei Bauern hinten lag. Aber der Briesener gab nicht auf und brachte seine beiden Türme auf der 7. Reihe in Stellung. Leipert verteidigte zäh und schien auf die Macht seiner Bauern zu vertrauen. 2:0 für die Gastgeber.
Das Schachkid schaute zu und machte sich eifrig Notizen in sein oranges Notizbüchlein. Jeder gute Berichterstatter hat ein solches mit. Der Gegner des Schachkids schien Betrug zu wittern und erkundigte sich bei seinem Mannschaftsleiter, ob dies rechtens sei, sich Notizen zu machen. Als das Schachkid erneut in seiner für Fremde unleserlichen Schrift in sein Büchlein schrieb, stand der gegnerische Mannschaftsleiter hinter dem Schachkid und spähte angestrengt in dessen Buch. Offensichtlich beruhigt stellte dieser fest, dass das Schachkid keine Varianten aufschrieb, sondern Notizen zum spannenden Spielgeschehen.
Der Briesener Schatzmeister holte derweil am sechsten Brett zum Gegenschlag aus. In der Partie Alexander Heinz gegen Marco Belling bauten beide Spieler in der Eröffnung beeindruckende Bauernfronten auf. Nach einigen kurzen Hin- und Geschiebe blies Belling zum Halali auf den gegnerischen schwarzen König. Dieser, auf f8 stehend, sah sich bald von der Dame auf e6, Läufer auf g7 und dem Turm auf d7, der die gegnerische Dame angriff, umringt. Das Mattnetz wurde dichter und dichter, Heinz gab auf. Nun nur noch 2:1 für Bad Freienwalde.
Der Gegner des Schachkids schaute sich gegen elf Uhr genervt um und bemängelte, dass die benachbarten Uhren zu laut ticken würden. Nachdem die Uhr am 7. Brett entfernt wurde (Bedenkzeit abgelaufen) und die Uhr beim Schachkid ausgetauscht wurde, schien der Gegner zufrieden. Das Schachkid schaute derweil entspannt die nächsten 4,5 Stunden auf ein Fischaquarium und empfahl gedanklich den Kauf von Digitaluhren.
Kein leichtes Spiel hatte Vicky Eue vom SV Briesen am dritten Brett gegen Aleksander Borowiak. Wie üblich spielte Eue aggressiv und brach rabiat in die gegnerische Stellung ein. Resultat: Ein Damentausch und desolate Bauernstrukturen auf beiden Seiten, aber kein Vorteil für die junge Briesenerin, die ja eigentlich eine Frankfurterin ist, aber trotzdem unter glücklichen Umständen den Weg nach Briesen gefunden hat. Die Stellung wurde zunehmend kritischer, Borowiak besetze mit beiden Türmen die offene c-Linie. Die Briesenerin stemmte sich mit aller Kraft gegen den schwarzen Ansturm und konnte Figuren abtauschen. Um 11.30 Uhr hatte Borowiak seine verblieben Figuren allesamt auf der Grundreihe stehen und so die Grundstellung gleichsam rekonstruiert. Die Lage entspannte sich, aber es war auch kein konkreter Vorteil für eine Seite zu sehen. Also Punkteteilung und einen halben Zähler für jede Mannschaft, 2,5 zu 1,5 für Bad Freienwalde. Den übersehenen Figurengewinn von Vicky erwähnt das Schachkid nicht, da es derartiges ja selber gerne mal nicht blickt.
Auch am ersten Brett entwickelten sich die Dinge gemächlich. Philipp Heinrich hatte mit dem deutlich spielstärkeren und favorisierten Jerzy Brok eine schwere Aufgabe. Aber der 15 Stunden vor der Volljährigkeit stehende Briesener ist immer für eine Überraschung gut. Beide Gegner tasteten sich ab. Dem Bad Freienwalder gelang es, einen Springer als Vorposten im weißen Lager zu etablieren. Aus diesem wurde im Spielverlauf ein starker Freibauer auf d7. Der Briesener musste alle Ressourcen zur Kontrolle des Feldes d8 binden. Dies nutze Brok aus, um mit seinen Springern weiter in die Stellung einzudringen und die weißen Türme anzugreifen. Selbige waren nicht mehr zu halten, Heinrich jun. gab auf. 3,5 – 1.5 gegen Briesen, langsam wird es eng.
Ganz ähnlich verlief die Partie Frank Schmidt – Olaf Budach am zweiten Brett. Nach langsamen Spiel in der Eröffnung ergab sich eine unübersichtliche Stellung, die nicht leicht einzuschätzen war. Der Briesener begab sich an die frische Luft, auf der Suche nach Inspiration oder der freundlichen Kontakte zum Gegner wegen. Das Schachkid weiß es nicht, schaute aber mal nach 20 Minuten nach dem Verbleib seines Vereinsgenossen. Dieser setzte sein Spiel fort, tauschte bald die Damen und bot alsbald Remis. Dies besiegelte das 4:2 und machte einen Sieg Briesens nicht mehr möglich.
Zu allen Überfluss war das Schachkid nun sauer und fauchte den armen Olaf Budach im Foyer des Spiellokals heftig wegen des Remises an und hielt ihm einen Moralvortrag über den nicht vorhandenen Mannschaftsgeist. Das Schachkid muss aber ehrlich zugeben, die Stellung des Olaf nicht durchschaut zu haben. Das Schachkid ist zwar im besten Mannesalter, kann sich in solchen Situationen aber dennoch wie ein trotziger Junge sehr emotional und anmaßend benehmen. Das Schachkid wird daher bei Gelegenheit mit der Vereinsmamsel (siehe letzter Rundenbericht) einen Kaffee trinken.
Die Partie Volker Heinrich sen. – Abraham Jegiasarjan plätscherte zäh vor sich hin. Nach einer Stunde waren erst wenige Züge gespielt, da trat der siegreiche Schatzmeister bereits die Heimfahrt an. Zwei Stunden später, der SV Briesen liegt mit .. hinten, versucht Heinrich, die remislich aussehende Partie herum zu reißen. In einem Turmendspiel mit zwei Türmen und einer desolaten Bauernstruktur ist dies schwierig, zumal der Briesener dann noch einen Turm tauscht. Andererseits hätte aufgrund der Isolani die Partie auch verloren gegangen können. Aber der Briesener beweist Sitzfleisch und reicht, zur vernehmlichen Erleichterung der Anwesendem, seinem Gegenüber die Hand zum Remis. Dies sichert mit 4,5 – 2,5 den Sieg der Gastgeber.
Die längste Partie des Tages lieferte das Schachkid. Es hatte für sich beschlossen, künftig jede Partie auszukämpfen und lehnte drei, wegen der ausgeglichenen Stellung durchaus berechtigte, Remisangebote des Gegners ab. Aber so lange die Damen noch auf dem Brett sind…
Viktor Weber und René Kellner quälten sich durch die Abtauschvariante der slawischen Verteidigung. Getreu dem Eröffnungsnamen tauschte sich bis auf diverse Bauern, die Damen und je einen Springer alles ab. Es folgte ein langes Lavieren. Beide Kontrahenten stellten wechselseitige Drohungen auf und suchten Angriffspunkte in der gegnerischen Stellung. Kellner wollte auf Sieg spielen, vermied im 20. Zug den Damentausch und ließ einen Bauerngewinn zu. Weber sah diesen nicht, und so ging es munter weiter mit dem Drohen und dem Gegendrohen. Nach 54 Zügen sahen beide Spieler der ausgeglichenen Stellung und der Realität ins Auge und einigten sich auf Remis. Ein verdienter 5-3 Sieg für die Königsjäger aus Bad Freienwalde.
Ein trauriger Tag für Briesen, die Serie der Unbesiegbaren endete nach 13 Punktspielen. Zeit, eine neue Serie zu beginnen. Schwierige Partien und viele Remis, ausgekämpfte Remis, bestimmten den Spieltag. Nach den besinnlichen Feiertagen und dem Jahreswechsel wird mit neuer Energie die Saison fortgesetzt.
54. … Kh4 55. Kf4? Sxd4 mit leichtem Gewinn
Stattdessen 55.d5! exd5 56.Kf4 d4 57.Sg3 Se7 58.Sh5 f5 59.gxf5! Kxh5 60.f6 Sg6+ 61.Ke4=
Aber das ist zu trivial, ums zu erwähnen, vermute ich.
Und als Antwort auf deine Frage: Benoni (evtl. Wolga-Gambit), Holländisch, Königsindisch, evt. noch Grünfeld
Ist allerdings, ähnlich wie Slawisch (Abtauschvariante) meist auch nur so dynamisch, wie Weiß es zulässt.
Es kommt hauptsächlich darauf an, inwieweit du ein gewisses Ungleichgewicht in die Stellung bekommst. Nach 1.d4 d5 2.c4 c6 3.cxd5 cxd5 4.Sc3 Sf6 5.h3?! Lf5 6.Lg5?! wäre doch z.B. 6….Se4 mit der eventuellen Folge 7.Sxe4 Lxe4 8.f3 Dc7!? ganz nett gewesen, um „auf Sieg“ zu spielen. (Nur mal als Anregung.)
In Windeseile alles abtauschen und dann stundenlang in einer 0,00-Stellung der Zugpflicht zu genügen ist doch irgendwie nicht im Sinne von „Ich spiel auf Sieg“, richtig? 😉