7.00 Uhr – der dicke Doktor ist transportbereit. Vom Rewe, mit 12 Toilettenpapierrollen (3-lagig) und einer riesigen Kiste Brötchen ist man im Spiellokal angekommen. Der Vereinschef hat schon Kaffee aufgesetzt. Der dicke Doktor trägt die Verantwortung – auf der Brötchenkiste steht “Verantwortungsträger”. Das Schachkid fegt durch den Raum – leichtfüßelnd tänzelt mit einem Besen. Völlig normale Stimmung bei einem Schachopen, die kein Spieler mitbekommt, da es 90 Minuten vor der ersten Runde ist.
Die jugendliche Servicekraft hat heute verschlafen und taucht eine Stunde später atemlos auf. Und erteilt dem Schachkid strenge Hinweise, dass die Brötchen geschmiert hat. Unter Nutella gehört offenbar keine Butter. Und die Mettwurst ist etwas ungleichmäßig verteilt. Der Fotobeweis wenige Minuten später zeigt es. Die jugendliche Servicekraft kann nicht nur Schach spielen, sondern schmiert auch die eleganteren Brötchen.
Die erste Partie ist gleich ein Reinfall. Der Gegner des Schachkids ist ein alter Bekannter, ein Mannschaftskamerad vom USV Potsdam. Man fuhr schon gemeinsam Floß, der Gegner stand seinerzeit am Steuer. An diese Vereinsfahrt erinnert sich das Schachkid wirklich gerne und hat seinerzeit sogar das Finale der DSAM sausen lassen. Heute hat sich der Gegner vorbereitet, was ihm aber nichts nutzt. Denn er ist nicht auf dem neusten Stand. Denn wenn er diesen Blog lesen würde, wüsste er, dass das Schachkid von e4 auf c4 umgestiegen ist.
Er findet trotzdem auch ohne Vorbereitung die eine Variante, mit der das Schachkid so gar nicht klar kommt. Diese Partie ist wirklich ein Albtraum und die schlechteste Partie des ganzen Turniers. Das Schachkid macht nur schlechte Züge und lässt sich wirklich zusammen schieben, während der gegnerische Doktor, dieser hier ohne Bart, richtig tauscht (zuerst den Turm, dann den Rest) und dann über den schwarzen König herzufallen droht oder einen Springer gewinnt. Schlimme Partie.
Die Frau des Vereinschefs hat in einer Nacht und Nebel Aktion abends um halb elf noch Gulasch zubereitet, damit die Schachspieler was zu essen haben. Das Schachkid isst vorsichtshalber gleich zwei Portionen und kann später die Gelegenheit nutzen, zum leckeren Gulasch später persönlich zu gratulieren. El Presidente ist heute nicht sichtbar, da er wenige Kilometer weiter in Berlin Steglitz den Schachverband Brandenburg beim Deutschen Schachkongress vertritt. Das Schachkid schaut live zu, es wird bei Twitch übertragen, was das Schachkid im Sinne einer transparenten Kommunikation sehr löblich findet. Man schenkt sich nichts. Der Schlagabtausch ist beeindruckend und spannender als im Bundestag.
Zur Partie stellt das Schachkid fest, das Herrenklo ist verstopft. Hilfesuchend wendet sich das Schachkid an den Mann für alle Fälle – dem Vereinschef. Dieser merkt an, er hat Erfahrung. Ein langer Stock wird gesucht und dann wird losgeklempnert. Der Vereinschef, wirklich ein Mann für alle Lebenslagen, der auch vor Verstopfungen nicht zurück schreckt und selbige löst.
Und auch die zweite Partie ist für den Eimer. Der Gegner mit klangvollen italienischen Namen spielt etwas unambitioniert das Londoner System. Man tauscht so ab. Die Stellung ist langweilig. Das Schachkid steht mehr an der frischen Luft herum, als es am Brett sitzt. Das Schachkid bietet Remis an. Der Gegner will bestimmt nicht gewinnen, wenn er so langweiliges Zeug spielt. Will er aber doch und denkt und denkt und denkt… Das Schachkid isst ein Mettbrötchen. Das Endspiel zieht sich. Der Gegner entwickelt Ideen, und das keine schlechten. Das Schachkid hat keinen Plan, die schlechtere Struktur aufgrund zweier Fehltäusche und macht dann noch einen Fehlzug. Der Gegner holt sich den Punkt und beschwert sich dann noch beim Schachkid, wie stressig die Partie gewesen sei.
Und wieder findet das Schachkid während der Partie einen Defekt. Ein Wasserhahn läuft pausenlos. Nach den positiven Erfahrungen des Vormittags wendet sich das Schachkid erneut an den Vereinschef. Der hat mittlerweile aufgerüstet und eine Werkzeugkiste mit. Mit selbiger gehts im Duo zum Wasserhahn, der das Laufen eingestellt hat, aber jederzeit droht, wieder aktiviert zu werden. Der Vereinschef findet ein Loch und fragt das Schachkid, ob (ominöse Werkzeugbezeichnung) hier rein passe. Das Schachkid hat keine Ahnung, geschweige weiß es denn, welches Werkzeug gemeint ist. Das ratlose Schachkid begibt sich vorsichtshalber zurück zum Schachbrett, ehe es noch was schrauben muss.
Zu einer Vorentscheidung kam es in Runde am Brett 1. FM Tschernatsch und CM Tiarks, beide im gleichen Verein, beide in der gleichen Mannschaft, sonst Seite an Seite kämpfend, müssen heute gegeneinander ran. Geschenkt wird sich nix. Das Schachkid tritt ans Brett heran und denkt, es guckt nicht richtig. Nach einer halben Stunde hat man bereits um die 25 Züge gespielt. Aber der FM ist eben ein FM, weil er kein CM ist. Der FM kennt die Variante ein paar Züge länger als der CM und gewinnt erst einen Bauern und dann die Partie.
IM Brüdigam hat sich derweil wieder rangepirscht an die Spitze. Marc von Reppert musste sich wieder von der Spitze verabschieden, während Oliver Röhr und Peter mit dem komplizierten schwedischen Nachnamen Zackrisson dran blieben. Daniel Lippert wurde vorne nicht mehr gesehen. Der muss mal zwischendurch Punkte liegen gelassen haben.
In Runde 6 kommt es dann zum Spitzenduell zwischen FM und IM, man trennt sich Remis. Der CM bleibt mit einem Sieg über Andreas Peschel dran. Daniel Woihte, der einst schachlich zum Schachkid aufschaute (da hatte der Ex- Briesener noch 1100 DWZ), schaut heute eher auf das Schachkid runter, schachlich wie auch bzgl. der Körpergröße. Der Junge hat sich viel selbst beigebracht und hat wirklich eine schöne schachliche Entwicklung hingelegt, die ihn auch über Fabian Schmidt, der seinerseits noch FM werden möchte, triumphieren lässt.
Für das Schachkid wars nix an diesem Tag. Das Gulasch von der Frau des Vereinsschef entschädigt zweifellos. Und an der Spitze des Potsdamer Sommeropens ist es es spannend wie lange nicht.