Das Schachkid reiste am 19 April nach Berlin zum Tempelhofcup und stand erstmal in der Schlange. Mehr als 100 Schachfreunde haben sich im Lichtenrader Gemeindezentrum eingefunden, um die Klingen zu kreuzen. Vor der Anmeldung steht eine lange Schlange schachhungriger Spieler, die nur eines wollen, den Gegner vernichten. Ah, noch ein Fürstenwalder in der Schlange, David Georgi ist auch da.
„Ich hab ma durchgekiekt“, sagt einer. Man merkt, man ist in Berlin.
Ein launiger Vorsitzender des SK Tempelhof begrüßt die Schachspieler, im weißen Anzug sieht er aus, als käme er frisch vom Buesta Vista Social Club. Neben ihm agiert der jüngste Schiedsrichter, den das Schachkid je gesehen hat, kaum 18 Jahre scheint er alt zu sein. Was im übrigen auch für den zweiten Schiri gilt. Aufgrund seiner Brandenburger Erfahrungen hat das Schachkid bisher geglaubt, ein Schiri müsse ein Mindestalter von 70 Jahren besitzen, ähnlich wie der Bundespräsident.
Für die Herfahrt hat sich das Schachkid zur Unterhaltung fix ein Höhrbuch besorgt. Die Wahl fiel auf „Achtung ich komme – in 80 Orgasmen um die Welt“
Wie soll das Schachkid jetzt Schach spielen, wenn es als an weibliche Orgasmen am Sonntag morgen um 9.30 Uhr denken muss? Eine Frau beschreibt ihre Mühen, einen Orgasmus zu erlangen und die Unfähigkeit der deutschen Männer, dies zu akzeptieren. Sie beschließt, um die Welt zu reisen und in jeden Land einen Mann zu testen. Vielleicht wissen die ja, wie es um den weiblichen Orgasmus bestellt ist. Also genau das richtige, um sich auf ein Schachturnier einzustimmen.
Die erste Runde bringtden kleinen Berliner Miron Koch. Der Kleine lässt Figuren stehen. So haben wir alle mal angefangen. Das Schachkids freuts, setzt sich raus in die Sonne und überlegt, ob es im August nach Wien zum Schachopen fahren soll. Was dann aber das Aus fürs Briesener Open bedeuten würde. Und das Schmalkalder Stadtfest ist auch noch am gleichen Wochenende. Das Leben ist ein Drama.
In der langen Tischreihe sitzt eine sehr attraktive Frau, alte Herren, ein kleiner Lockenkopf…. Schach ist für alle Leute und Altersgruppen ein Sport, das ist ganz wunderbr. Der junge Schriri erläutert von der Bühne herab die Regeln. Senioren brüllen zurück: „Laaaaaaaauter bitte, und langsamer.“
Gespräch am Brett neben an: „Wie lange spielen Sie schon Schach?“ „Seit 30 Jahren.“ kommt es zurück. „Oh Gott“, macht die Gegnerin. „Das muss nix bedeuten.“, tönt es von der Seite. „Stimmt, meinen Höhepunkt hatte ich mit 17 Jahren.“ – womit wir wieder beim Höhrbuch am Anfang wären.
Das Schachkid hat einen Punkt, sitzt aber ganz hinten. Zweite Runde, das Schachkid lässt zwei Bauern stehen, der Gegner Dietmar Scholz gewinnt noch einen dazu. Lässt dann aber seinerseits einen Turm stehen. Ein Schachkid im Glück mit 2 aus 2. Was kommt jetzt, nachdem normal ausgelost wird? Ein Titelträger?
„Es war schwieriger als erwartet.“ – sprach der FM Martin Brüdigam, als er blitzenderweise eine Gabel entdeckte und dem Schachkid seinen Läufer entwand. Dieses hatte eine obskure Nebenvariante in der Schottischen Eröffnung seines Trainers, ebenfalls FM, aufgetischt. Dies kannte der FM Brüdigam nicht und verbriet viel Zeit, um dann, mit zwei Mehrbauern, in Zeitnot zu geraten. Das Schachkid freut sich, hält mit seinem Läufer gegen und genießt die Luft am 5. Brett.
Ist der FM net willig, legt das Schachkid halt in der nächsten Runde Prof. Dr. Hans Jung mit 2000 Elo um. Das Schachkid hat es heute nicht so mit Bauern und stelt im zweiten Zug mit e5 gleich einen hin. Der Gegner ist sichtlich irritiert, denkt lange über das vorgebliche Opfer nach und nimmt nach langen Zögern. Die Irritiation weicht nicht mehr. Der Gegner lässt den Turm stehen, das Schachkid selbigen mit. 3 aus 4 Punkten, das Schachkid hat einen Lauf.
Am Nachbarbrett weist Schwarz seinen Gegner zurecht: „Nun quäl Dich nicht. Nimm den Bauern da , dann isses bei mir zweizügig matt.“. Der Gegner folgt den Hinweis und setzt Matt.
Das Schachkid übelegt kurz, ob man einen Schiri vernaschen könnte,, spielt dann aber doch erstmal gegen den Fürstenwalder Rainer Püschel. Beleidigungen am Nebenbrett: „Bistb Du ein Tegeler? Du siehst aus wie ein Tegeler.“ donnert es.
Das Schachkid lässt aus Gewohnheit einen Bauern stehen. Das reicht dem Püschel ohne Puschel zum Gewinn.
Auf zum Mittag essen. Das kostet nix. Ex wird nur um eine Spende gebeten. Das Schachkid fragt sich, ob sich das für den gastgebenden Verein rechnet. Einige werden sich bestimmt umsonst durchfressen Aber die meisten werden sicherlich ein wenig mehr zahlen, als dass sie müßten. Oder wie es ein Spieler formulierte. Wenn er nix zahle, habe er ein schlechtes Gewissen.
In der 6. Runde kam Sebastian Schrodt. Das Schachkid fragt sich, ob das der Sohn vom Horst Schrodt aus Wildau ist. Beide haben jedenfalls die gleiche lustige Lausbubenart drauf. Der Junior spielt auch schnell und gut. Das Schachkid gab auf und sich dann zum Kuchenbuffet.
Sowas kann das Schachkid gar nicht leiden. Die Runde ist freigegeben, der Gegner nirgends zu sehen. Alles spielt, das Schachkid ist höflich und drückt nicht die Uhr. Der Gegner kommt angerannt, steht noch, hat dem Schachkid noch nicht die Hand gegeben und drückt schon die Uhr. Sowas mag das Schachkid gar nicht. Vor lauter Mißmutigkeit hat das Schchkid gleich einen Bauern stehen lassen und dann noch einen. Wenn das Schachkid erst Mitglied der FIDE ist, wird es die Regel einführen, dass künftig ohne Bauern gespielt wird.
Achte Runde, das Schachkid hat keine Lust mehr. Sieben Runden würden auch reichen. Vladyslav Kozusenok wartet. Es wird eine wechselhafte Partie. Dem Schachkid fehlt noch ein Zug, um den Gegner matt zu setzen. Leider greift dieser an und will nun seinerseits matt setzen. Statt Dauerschach frisst er einen Bauern. Das Schachkid kriegt Oberwasser, droht Matt, der Gegner opfern die Dame. Das Schachkid nimmt falsch zurück, der Gegner kriegt einen Bauern durch, hat aber eine miese Zeit. Verzweiflung auf beiden Seiten, man macht Remis.
Höchste Zeit für einen Kaffee. Gegner der neunten Runde ist Quan Nguyen Duc. Das Schachkid ist sich nicht ganz sicher, ob er Name so richtig rum geschrieben wird. Aber der Gegner ist ein netter Kerl, nur zu langsam. Schnellschach heißt so, weil man es schnell spielt. Diesmal lässt das Schachkid keinen Bauern stehen, sondern einen Springer. Der liebe Gott hat ein Einsehen, der Gegner sieht es nicht. Also Punkt für das Schachkid.
4,5 Punkte von 9, macht 50 Prozent. Platz 61 in der Startrangliste, Platz XX in der Endtabelle. Das Schachkid ist zufrieden, wenn es auch spielerisch vor allem daran haperte, dass das Schachkid in jeder Partie Bauern stehen ließ.