Das Schachkid wälzt sich früh um 5.17 Uhr aus dem Bett. Bis 9.45 Uhr gilt es, im 300km entfernten Barlinek zu sein. In Berlinchen, wie der Ort einmal hieß, wurde Emanuel Lasker geboren. Der deutsche Schachbund gedenkt zum 100. Geburtstag diesem deutschen Großmeister. Die Lasker-Gesellschaft aus Berlin pflegt offenbar eine langjährige enge Beziehung nach Barlinek.
Den ersten, den man in Barlinek erspäht, ist Mätzkow sen. Er führt einen Trupp Jugendlicher aus Ostbrandenburg an. Eine Mischung aus Briesen, Rüdersdorf und Eberswalde. Sonst sind ein paar wenige Deutsche da. Was schade ist, denn Barlinek scheint ein hübsches Örtchen zu sein.
Zur Turniereröffnung sammelt sich alles auf der Terrasse. Es wird feierlich. Reden werden gehalten, lokale Würdenträger in Schlips und Kragen. Die Laskergesellschaft verleiht Ehrenmedaillen. Das Schachkid versteht wieder kein Wort und klatscht an den passenden Stellen mit. Lucky sorgt für Kaffee und gießt in diesem Milch rein. Gott, schmeckt das räudig.
Dann folgt die Anwesenheitskontrolle. Lucky hat die Gutscheine zum Mittag gekauft, aber die Anmeldung vergessen. Man steht nicht auf der Startliste. Dann streikt der Drucker. Nun werden die Paarungen einzeln vorgelesen, statt diese einfach mit Beamer an die Wand zu werfen, was auch gemacht wird. Man hat schon eine Stunde Verspätung mit der 1. Runde. Aber keiner regt sich auf. In Deutschland würden die Spieler schon Terror machen. Typisch polnische Mentalität. Alles wirkt irgendwie improvisiert. Aber alle sind entspannt.
In der ersten Runde geht es gegen einen ganz kleinen Polen. Der Junge fragt etwas mit Kategorie, vermutlich nach der Spielstärke. Das Schachkid kann nur mit den Schultern zucken, es versteht ja ni. Dem Gesichtsausdruck des kleinen Polen nach zu deuten hält er das Schachkid für bekloppt.
Der Punkt ist schnell gemacht. Auch Lucky gewinnt fix. Das wird in den nächsten Runden schwerer.
Und zwar gleich in der zweiten Runde. Lucky muss gegen die Nr. 5 des Turnieres spielen und verliert. Beide in Zeitnot, aber er lässt den Läufer stehen. Das Schachkid hat es mit der Nr. 10 unwesentlich leichter. Eine kleine Kombination, und das Schachkid hat einen Läufer weniger. Der Gegner scheint nicht glücklich, sondern eher ein Miesepeter zu sein. Die Sonne brennt, 25 Grad, 80 Mann im Raum. Der Pole an Brett 7 klappt trotzdem alle erreichbaren Fenster zu. Ist wohl ein empfindliches Gemüt.
Dafür wartet in der dritten Runde eine nette Dame. Total der mütterliche Typ, der bestimmt toll Piroggen kochen kann. Sie fragt vor der Partie „Alles richtig?“ und bedankt sich, nachdem das Schachkid gewonnen hat. Sehr höflich und nett, diese Dame. Lucky spielt gegen einen Knirps und muss ganz schön kämpfen, gewinnt aber das Bauernendspiel.
Beginn der vierten Runde. Der Schiri hält einen langen Vortrag. Das Schachkid versteht wieder nix. Der Schiri erzählt und erzählt. Er kommt offenbar nicht auf den Punkt. Selbst die geduldigen Polen beginnen, mit den Augen zu rollen.
Dafür ist das Schachkid schnell fertig. Die Eröffnung krude gespielt. Zeit, sich um das Mittag essen zu kümmern. Das Süppchen ist lecker, satt wird das Schachkid davon nicht. Neben dem Schachkid kracht es. Die Bank samt darauf sitzenden und speisenden Senior kracht zusammen. Gott sei Dank nix schlimmes passiert. In Fußweite ist ein Netto. Zeit für polnische Wiener.
14.35 Uhr, die 7. Runde sollte jetzt beginnen. Man hat aber erst die 4. Runde gespielt, hat also mächtig Verspätung. Und die Organisatoren schieben tatsächlich noch einen 25-minütigen Vortrag über Lasker ein. Bei allem Engagement des Gastgebers, man sollte doch halbwegs im Zeitplan bleiben oder gleich eine sinnvolle Zeitplanung machen. Damit man als Besucher weiß, auf was man sich einlässt. Das Schachkid wollte nicht bis Mitternacht bleiben. Außerdem gehen gewisse Anwesende dem Schachkid auf den Keks.
Der Gegner aus der vierten Runde überreicht dem Schachkid einen Gruß des Bürgermeisters, eine Anstecknadel mit dem Stadtwappen, für die deutschen Gäste. Nett, der Bürgermeister.
15.15 Uhr, die 5. Runde hat immer noch nicht begonnen.
Endlich die 5. Runde. Lucky hat in der letzten Runde gewonnen und sitzt nun am Brett 3. Hier bekommt er aber seine Grenzen aufgezeigt. Das Schachkid spielt gegen einen Senior. Die Sonne knallt auf den Rücken des Schachkids und dem Gegner in die Augen. Er denkt lange und verliert auf Zeit, hat aber auch zwei Figuren weniger. Er bedankt sich. Auffällig, jeder Spieler bedankt sich für die Partie, egal ob er gewonnen oder verloren hat. Die Polen sind viel höflicher als deutsche Spieler.
Nun geht es flott in die 6. Runde. Ein Kind, das aber schon 3 aus 5 hat. Das Schachkid gibt ein dezentes Schach. Der Kleine hat sich gegen die Stirn, brüllt „Mosche“, zu Deutsch wahrscheinlich Mist, und gibt auf. Dabei war seine Dame gar nicht weg, wie er glaubte.
Der Turnierveranstalter stellt Snacks bereit. Nicht förderlich für die Diät des Schachkids, aber sehr lecker.
Zur 7. Runde erscheint das Schachkid 2 Minuten zu spät. Beide Seiten haben nur noch Turm und Springer, der unhöfliche polnische Gegner aber zwei Minuten mehr. Und drückt das Schachkid gnadenlos über die Zeit. Und geht wortlos, der bedankt sich nicht. Lucky sieht dagegen beim Briesener Daniel Woithe seine Dame einschlagen, wo sie gar nicht einschlagen kann. Daniel macht den Punkt.
In der achten Runde versucht das Schachkid, mal seinen Gegner über die Zeit zu drücken. Dieser hat einen Bauern und 5 Minuten weniger auf der Uhr und bietet Remis an. Leider hat er auch einen aktiven König, was das Schachkid ein paar Bauern und 5 Sekunden vor Blättchenfall beim Gegner auch Matt wird. Lucky gewinnt und liegt nun tatsächlich einen halben Punkt vor dem Schachkid. Das wird sich hoffentlich noch zurecht ruckeln.
Zwischendurch gab es schon Verluste. Weil das Turnier so ewig und ungeplant dauert, sind 12 Spieler von den 80 Teilnehmern vor der achten Runde schon losgegangen.
In der letzten Runde muss ein Punkt her. Kommt auch so. Leider sehr unbefriedigend. Das Kind hat zwar auch 4 Punkte, stellt nun aber alle Figuren bin. So macht Siegen keinen Spaß. Lucky macht ein Remis, wirkt aber nicht sehr zufrieden damit. Das Schachkid ist mit seinen 5 Punkten halbwegs zufrieden.
Ein schönes Turnier bis auf die nervenaufreibende Verzögerung, die den Tag insgesamt doch recht anstrengend macht. Gerne wieder, aber das nächste Mal mit Übernachtung, um das Städtchen Barlinek und die köstliche polnische Küche zu erkunden.