Drei Dinge sprechen gegen das Apotheker-Open in Görlitz, die vielen Treppen in der Pension und der Berg, auf dem das Spiellokal liegt. Möglicherweise muss das Schachkid auch nur etwas Sport treiben. Im Spielsaal des A-Open ist die Luft dauermies.
Das Schachkid will heute noch zwei Punkte holen und ist daher ganz wild darauf, gleich in der 6. Runde den Berliner Timo Boldt umzulegen. Dieser hat aber was dagegen und wehrt sich energisch. Das Schachkid kommt wieder schlecht aus der Eröffnung raus. Timo spielt sehr aktiv und fesselt mit seinen Läufern die Springer des Schachkids. Dieses verliert schon im 8. Zug ein Tempo, um die Fesselung aufzuheben. Im 12. Zug hat das Schachkid schon ein unschönen Doppelbauern.
Zeit für das Schachkid, Gegenspiel am Damenflügel aufzuziehen. Das gelingt, aber das Schachkid verliert zwei Bauern. Zeit für Gegenspiel am Königsflügel. Das gelingt, das Schachkid gewinnt den Springer und gibt ihn zurück. Leider sieht das Schachkid 29. Lxf7 nicht. Bzw. das Schachkid sieht keine vernünfige Fortsetzung. Timo hat starke Freibauern am Damenflügel. Jede Seite hat schon jeweils dreimal Remis angeboten und abgelehnt.
Das Schachkid muss den Läufer für den Bauern geben. Timo hat nun Springer und einen entfernten Freibauern, spielt aber zu passiv. Das Schachkid geht auf den König los. Die zwei Trainer des Berliner Gegners schauen gespannt zu. Das Schachkid setzt matt. Der Trainer kommt herbeigeeilt und meint zu seinen Schützling “Der aktive Spieler lehnt Remis ab!”. Das war die spannendste Partie des ganzen Turniers.
Das Schachkid ist empört. Die Vereinskameraden gehen essen, ohne auf das Schachkid zu warten, Und das, obwohl das Schachkid in den letzten Tagen auf selbige zum Essen gewartet hat. Da hat der Nachwuchs wohl noch was an sozialen Umgangsformen nachzuholen. Zur Entschädigung gibt es angeblich Original Thüringer Bratwürste an einer Görlitzer Bude. Wie immer ein billiges Plagiat. Das Schachkid muss es wissen. Es kommt aus Südthüringen und weiß, wie Thüringer Bratwürste schmecken. Regelmäßig ist das Schachkid im Ausland, hier Sachsen-Anhalt, entsetzt, welch geschmackliche Verirrungen sich erdreisten, sich Thüringer Bratwurst zu nennen.
Schon wieder ein Jugendlicher in der 7. Runde. Die sind immer so schrecklich ambitioniert und schwer einzuschätzen. So auch Lucas Rößler. Dieser öffnet früh seine Königsstellung. Das Schachkid nutzt dies zum Angriff, dringt aber nicht recht durch. Lucas verteidigt sich geschickt. Das Schachkid hat seinerseit noch Glück. Übersieht der Gegner doch den Einschlag 18. Lxh7 mit Bauerngewinn.
Der Gegner tauscht ab und bekommt Angriff, Freibauern noch dazu. Das Schachkid hält diese mühevoll auf. Im Endspiel hat das Schachkid zwei Bauern mehr. Es sieht den Gewinnweg, gibt den Springer und schafft sich zwei verbundene Freibauern. Und vergeigt die Partie noch irgendwie zum Remis. Spannende Partie mit ärgerlichen Ausgang.
Was tun nach dem Schachopen? Weiter ging es mit der Unentschlossenheit. Das Schachkid ist sonst sehr entscheidungsfreudig. Aber bei diesem Open ist der Wurm drin. In Görlitz bleiben? Das Wetter ist zu schlecht für Besichtigungstouren? Nach Hause fahren? Das Schachkid ist urlaubsreif. Nach Thüringen fahren? Zu weit weg. Also wird nach der letzten Runde die Chefmama ins Auto gepackt. Man fährt zur Pension und lädt das Gepäck aus dem Auto der Philosophenmama um. Das Schachkid hört derweil die Mailbox an und beginnt, verschämt die Chefmama anzugrinsen. Erfreuliche Nachrichten sind auf der Mailbox. Das Schachkid schwankt, was tun? Die schlaue Chefmama, gestählt durch mehrere Jahrzehnte der Ehe und dem Dasein als Mutter rät, bis 10 zu zählen und dann zu entscheiden. Das Schachkid entscheidet also, man lädt das Gepäck wieder um. Die Chefmama wird am Spiellokal abgesetzt. Die Philosophenmama ist überrascht.
Fazit des Opens: Gut organisiert, nette Leute da. Görlitz ist eine schöne Stadt, ideal für einen Kurzurlaub. Aber manchmal sind es eben andere Dinge, die einen treiben und für jeden persönlich von Bedeutung sind. Jemanden zu vermissen, ist qualvoll. Jemanden zu Hassen, ist leicht. Jemanden zu vergessen, dauert das ganze Leben.