Das Schachkid fuhr diesmal pünktlich los, es hatte sich die Haare nur gebürstet. Dafür wurde es gleich von Vicky mit dem Hinweis begrüßt, dass es wie Justin Bieber aussehe. Das Schachkid fand das eine oder andere Lied vom Bieber nicht so schlecht. Es weiß daher nicht recht, ob es beleidigt sein soll oder nicht.
Das Schachkid war hoch motiviert und glaubte an einen Sieg. Das Eröffnungstraining der letzten Wochen musste einen Sinn haben. Zur Einstimmung hörte das Schachkid Sunshine Live auf der Autobahn. Das Schachkid findet, dass Techno besonders gut auf dem Kampf am Brett einstimmt. Das Schachkid muss an dieser Stelle jedoch beklagen, dass am Ortseingangsschild von Briesen der digitale Radioempfang und somit Sunshine Live einbricht. Dies muss sich dringend ändern!
Zum fälligen Punktspiel der Regionalliga Ost empfing der SV Briesen die zweite Mannschaft des SV Preußen Frankfurt Oder. Die Steinchenrücker aus der Oderstadt reisten mit geballter schachlicher Erfahrung aus mehreren Jahrzehnten an. Das Schachkid schätzte das Durchschnittsalter der Mannschaft auf 60 Jahre. Einerseits freut sich das Schachkid, dass man auch noch nach so vielen Jahren Spaß am Schachspiel haben kann. Andererseits bedauert es das Schachkid zutiefst, dass dieser nette Verein keine Nachwuchsarbeit macht und in 20 Jahren daher wortwörtlich aussterben wird. Ein Schicksal, dass vermutlich vielen Schachvereinen ohne Nachwuchsarbeit in Deutschland droht.
Der SV Briesen ging durch den kampflosen Sieg von Olaf Burdach am zweiten Brett mangels Gegner zügig in Führung. Der Vereinschef nutzte die Gelegenheit, um Schachfreund Burdach das eigens geschaffene Amt der Kaffeemamsel zuzuweisen. Fortan wird Olaf, auch liebevoll der Buddha genannt, seine Mannschaft mit Kaffee versorgen. Das Schachkid empfiehlt die Anschaffung eines Schürzchens und eines Häubchens. Zumindest an diesem historischen Tag des Mauerfalls kam er dieser verantwortungsvollen Aufgabe nach.
Vicky Eue am dritten Brett lief mit neuer Brille und verschärften Durchblick auf, was ihr Gegner Dr. Fritzsche schnerzvoll zu spüren bekam. Nach einigen Abtausch etablierte die junge Briesenerin eine Bauernkette auf der Achse a7-d5. Neben dieser stabilen Struktur fand sich der weiße König von Dr. Fritzsche im Trommelfeuer der schwarzen Schwerfiguren wieder. Routiniert und überlegt wehrte der Frankfurter die gegnerischen Angriffe ab, verbrauchte dabei aber einen Großteil seiner Bedenkzeit. Vicky stellte den Gegner weiterhin vor komplexe Probleme und fuhr alsbald den Punkt ein.
Lothar Bindernagel am siebten Brett rochierte früh, öffnete dann aber seine Königsstellung durch Bauernzüge. Sein Gegner Jürgen Andexel nutzte dies, um einen starken Springer auf g6 zu postieren. Der Briesener wehrte sich heftig, konsolidierte seine Stellung und übersah dabei einen Bauerngewinn durch Abzug. Der Briesener Nestor postierte seine Türme und die Dame auf der f-Linie und übte heftigen Druck auf die weiße Königsstellung aus. Nach wilden Getümmel am Königsflügel fanden sich beide Seiten alsbald in einem Endspiel wieder, der Preuße aus Frankfurt (Oder) führte einen Springer gegen den Läufer des Brieseners. Schlussendlich einigte man sich auf Remis.
Wenig los war bei Marco Belling am fünften Brett. Frühzeitig tauschte man die Damen ab. In ruhiger Stellung lavierten beide Seiten hin und her, ohne nennenswerte Angriffschancen herausarbeiten zu können. Mit einem Remis waren beide Spieler zufrieden.
Die Nachwuchspunkerin Juliane Heinrich am achten Brett gewann frühzeitig einen Bauern, konnte diesen Stellungsvorteil aber nicht erhalten. Ihr Gegner Manfred Kohlmeyer, der älteste und erfahrenste Spieler der gegnerischen Mannschaft, spielte routiniert die Stellung weiter. Das Briesener Nesthäkchen suchte nach einen Gewinnweg, etablierte einen Bauerm e5 im gegnerischen Lager und warf forsch seine Königsbauern in die Schlacht. Leider ging dabei der Königsschutz verloren. Der gegnerische Altmeister gewann im anschließenden Scharmützel zwei Springer der jungen Briesenerin, die Partie war alsbald verloren.
Der große Bruder machte es besser. Philipp Heinrich am ersten Brett spielte eine sehr dynamische Partie. Beide Seiten hatten Freibauern auf gegensätzlichen Flügeln. Ein Bauernrennen schien die Entscheidung zu bringen. Der Frankfurter Jürgen Fritsch kämpfte verbissen und konnte die gegnerischen Freibauern eliminieren. Der Politikstudent spann derweil ein taktisches Netz um dem gegnerischen König herum und konnte einen Turm gewinnen. Der Gegner schwenkte die weiße Flagge, Punkt für Briesen.
Die familiäre Punktebilanz des Spieltages komplettierte Vater Heinrich am vierten Brett. Gegen Günter Müller entstand eine vom positionellen Kampf geprägte unübersichtliche Stellung. Nach drei Stunden und rauchenden Köpfen einigte man sich auf remis. Der Vereinschefs sicherte das 4:1, der SV Briesen konnte nicht mehr verlieren.
René Kellner am sechsten Brett packte seine bewährte englische Eröffnung aus. Gerd Scholz ließ sich nicht beirren und etablierte nach anfangs passiven Spiel ein starkes Bauernzentrum. Allein ließ die schwarze Spielführung den beherzten Angriff vermissen. Weiß konnte starken Druck auf der c-Linie ausüben und erste einen, dann noch einen Bauern gewinnen. Leider schlug dann eine Freudsche Übersprungshandlung zu. Das Schachkid wollte seinen Turm auf b6 stellen, zog aber nach a6. Der Führer der schwarzen Steine konnte sein Glück kaum fassen und schlug den ungedeckten Mehrbauern freudig heraus. Das Schachkid, von Lothar Bindernagel getröstet und wieder aufgebaut, sammelte sich mental, gewann den Bauern zurück und führte diesen bis zur 7. Reihe. Der verbissen kämpfende Frankfurter gab auf. Das Schachkid war mit der Partie trotz des mysteriösen Bauernzuges sehr zufrieden.
Fazit: Der SV Briesen gewann unerwartet hoch mit 5,5:2,5. Langsam wird es unheimlich. Der SV Briesen ist seit 12 Spielen ungeschlagen. Das schafft sonst nur der FC Bayern.