25. Juli 2015

Schach im alternativen Kiez

Verdammt, wo sind die Gewitter? Die Sonne brennt. Auf die Wetterapp ist kein Verlass. Das Schachkid muss mit Schwarz gegen Jörg Nagel spielen. Das Schachkid verortet diesen in Berlin. Später outet er sich jedoch als Müncheberger, der Überweisungsträger mit Kommentaren versieht. Und diesen Blog liest er auch. Da kann das Schachkid natürlich nix böses über die Müncheberger schreiben. Warum der andere anwesende kleine Müncheberger den anwesenden großen Müncheberger ständig knutschen will, bleibt wohl deren Geheimnis. Beide werden demnächst beim Briesener Open mitspielen. Da wird das Schachkid investigativ ermitteln.

Die Partie war ein Drama. Mit dem Königsindisch kommt das Schachkid einfach nicht richtig zurecht. Es fehlt ein Stellungsgefühl, wann nun welcher Zug sinnvoll ist. Das Schachkid weiß nie, wohin es den schwarzen weißfeldrigen Läufer stellen soll oder was gegen Lg5 zu tun ist, der unangenehm den Springer gegen die Dame fesselt. Da wird ein gewisser Felix M. wohl nochmal Nachhilfe geben müssen.

Der Müncheberger findet eine schöne Kombination. Lg5xSf6 sieht so harmlos aus. Gut, denkt das Schachkid. Jetzt hat es das Läuferpaar und nimmt zurrück. Mit dem nächsten Springerzug sind plötzlich zwei Bauern weg, die Dame hängt und es droht auch noch ein Gabelschach. Das Schachkid gibt auf, wirklich gut gesehen von dem Müncheberger. Das Schachkid wird ihn Jörgi taufen.

 Das Spiellokal liegt in Friedrichshain. Das Schachkid kennt sich in Berlin ja einigermaßen aus. Aber hier staunt das Schachkid. In den Nebenstraßen ist Berlin so urban und alternativ wie einst. Hier glaubt man, noch die Stimmung der Nachwendezeit zu erspüren. Sanierte Häuser wechseln sich mit bewohnten Ruinen ab. Viel junges Volk ist auf der Straße, die alle etwas abgedreht wirken. 30 Grad Hitze und junge Männer laufen mit Wollmütze herum. Einer trägt einen Anzug und geht barfuß dazu.

In alten Fabrikhallen haben Clubs und eine Boulderhalle eine Heimat gefunden, Mittendrin ein alternativer Flohmarkt. Farbige Menschen stehen betont unauffällig in der Gegend herum und mustern jeden Passanten. Mustert man zurück, bekommt man gleich ein Angebot für diverse, nun ja, Entspannungsmittel.

Auf dem alternativen Flohmarkt verkufen allerlei Rasta-Typen Schmuck und andere hüsche Dinge. Zwischen den Ständen riecht es verdächtig süßlich. Ein Obststand verkauft Melonenbecher. Das Schachkid will zugreifen, sieht aber die schmierigen Verkäufer, die sich gerade eine Kippe anstecken und nimmt lieber Abstand. Wer weiß, was die noch alles angefasst haben und was man sich da so einfängt.

Das Schachkid geht lieber zum Italiener, der laut der App Yelp superhipp sein soll, was das Schachkid nicht bestätigen kann. Das Essen ist Durchschnitt, das Schachkid muss ewig warten. Das das Schachkid dann noch Trinkgeld gibt, ist um so ärgerlicher. Immerhin die unfreundlichen Kellnerinnen glänzen durch enganliegende Kleider und stellen ihre Reize zur Schau. Warum die Damen kellnern und nicht Filme drehen vorzugsweise in horizontaler Lage, weiß das Schachkid auch nicht. Das Gehalt wäre sicherlich höher. Das Schachkid ist anders geeeicht und von der Optik nicht überzeugt. Immerhin, fürs Trinkgeld war es ausreichend.

Mit Manfred Lenhardt wartete die Nummer 4 der Setzliste auf das Schachkid. Man hat sich schon auf vielen Turnieren gesehen, aber noch nie gegeneinander gespielt. Heute war Premiere. Das Schachkid rechnet sich keine Chancen aus, aber es wurde eine lange und spannende Partie mit Chancen für beide Seiten.

Schwarz spielt 1. … g6. Das Schachkid hat noch keinen Plan für diesen Zug, hofft, auf den gerade erlernten Macotzky-Aufbau umzuleiten, beschließt dann aber, sich normal zu entwickeln. In der Analyse merkt das Schachkid, dass ihm der Trainer schon Pirc erklärt hat.

Die erste Frage stellt sich schon im 5. Zug. Ist 5. e5 wirklich am stärksten? Ähnlich im 9. Zug, exf6 ist dr beste Zug?

9. … Txf6 erscheint dem Schachkid ungenau, denn nun kommt Weiß gut ins Spiel. Der Punkt e7 scheint für Schwarz schwach. Das Schachkid weiß nicht genau, ob 12. Dxb2 gut ist. Die weiße Bauernstruktur am Damenflügel ist zerstört. Aber die schwarze Dame operiert dort alleine, weit weg vom eigenen König.

Das Schachkid bringt seinen Turm auf die 7. Reihe und übersieht dann 20. Sb7 oder das schöne Opfer 28. Lxg6.

Beide Spieler kommen nun in Zeitnot, erst Schwarz dann Weiß. Weiß gleicht die Stellung aus und spielt mit 33. Kg2 so richtig Mist. Schwarz finden in den wenigen Sekunden, die ihm bleiben, nicht den Gewinnweg und leitet ins Dauerschach über.

Bei so einer Partie ist im Grunde genommen das Ergebnis sekundär. Es war eine spannende Partie, die Kraft gekostet hat, aber eben auch sehr unterhaltsam war. Dafür spielt das Schachkid Schach.

Ein halber Punkt aus zwei möglichen Punkten gegen deutlich bessere Gegner, 1,5 aus 3 gesamt, das Schachkid ist zufrieden.

Zugfahrt nach Hause – “Meine Haare sind so gestresst.” meint die aufgebrezelte blonde Tussi zu ihrer ebenso aufgebrezelten Freundin, beide kaum 18 Jahre alt. Beide sind blondiert, überschminkt, haben lackierte Nägel und verbringen die Zugfahrt damit, sich die neuesten Feuchtigkeitscremes zu zeigen, die sie offensichtich gerade beim Shopping erbeutet haben. Die eine hat Hotpants an und sitzt so breitbeinig da, dass man bis in die Gebärmutter gucken kann.

Na, denkt das Schachkid. Wie arm dran muss ein junges Mädchen sein, wenn es sein Selbstwertgefühl nur aus seinen überschminkten erotisch betonten Körper zieht.

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