Nach dem Turnier ist vor dem Turnier. Die Vorrunde der Deutschen Amateurmeisterschaft findet in Potsdam statt. Nach dem spielerischen Desaster des 29. Erfurter Schachfestivals hofft das Schachkid nun auf Besserung im neuen Jahr. Das Schachkid hat auch gleich hochmotiviert eine Schachlektion von Niclas Huschenbeth durchgearbeitet und sich außerdem um einen neuen Trainer bemüht.
Fraglich ist, ob es für den Turniererfolg eine gute Idee war, morgends um 6.00 Uhr aufzustehen, um 7.00 Uhr noch eine Stunde Spanischunterricht mit Alberto einzuschieben, um dann schon halb erschöpft zum Turnier zu fahren. Schlimmer kann es ja nicht mehr werden. Das Schachkid spielt in der Gruppe E mit, 90 gleichwertige Gegner. Gefühlt ist alles zwischen dem 1. Platz und dem letzten Platz möglich.
Das Schachkid hat sich Turnierziele vorgenommen. Viel Brettzeit, Stellungsbewertung nach der Huschenbeth-Methode und keine taktischen Einsteller. Dann wäre ja schon mal viel gewonnen.
Die Eröffnung ist fest in Thüringer Hand. Der Hauptredner war auch schon Schiri beim 29. Erfurter Schachfestival. Diana Skibbe, Präsidentin des Thüringer Schachbundes ist da und ehrt die liebenswürdige Anke Kohl für ihr langjähriges Engagement für das Thüringer Jugendschach. Völlig zu recht – ohne das Ehepaar Kohl gäbe es so manches Jugendturnier in Thüringen nicht. Das Schachkid kennt beide aus Thüringen. Der Berliner Schachpräsident ist da- Nur vom Landesschachverband Brandenburg lässt sich niemand blicken. Das ist umso trauriger, da dieses Turnier das größte Turnier der Deutschen Amateurmeisterschaften ist.
Die Gruppen an sich sind schon größer als jedes Open an sich und äußerst homogen. Man kann mit 0 aus 5, aber auch mit 5 aus 5 aus dem Turnier gehen.
Gleich in der 1. Runde wartet ein motivierter Jugendlicher.
Caro-Kann-Hauptvariante. Der weiße Angriff am Königsflügel sieht gefährlich aus, schlägt aber nicht ganz durch. Weiß spielt ungenau und erst ein Bauer, dann ein Springer geht flöten. Schwarz bekommt einen Bauern auf die 3. Reihe vorgeschoben. Um so unfassbarer ist es dann, dass Schwarz ins Dauerschach, zugebenermaßen, in Zeitnot läuft und nicht den einfachen Gewinnweg mit mit 41. … Ld6 sieht. Hinterher hat es das Schachkid gesehen. Was für ein frustrierendes Remis.
Nach diesem Desaster muss Mittagessen her. Der Hotelimbiss ist teilweise recht teuer. Ein Wasser mit 0,7l für 7 € ist eine Hausnummer. Zumindest zur Mittagszeit scheint der Hotelservice überfordert. Es fehlen Brötchen und sonstige Dinge. Die hungrige Masse murrt. Ein Aufstand droht. Immerhin gibt es eine nette Hotelbar, in die man flüchten kann.
Modische Beobachtungen beim Turnier. Junge Knaben tragen Mozartmähne und Jacket. Auch drei Hüte aufeinander auf dem Kopf kann man in der Partie teilweise tragen. Alte Männer, die keine Haut zeigen sollten, zeigen viel Haut. Wahlweise durch ein bis auf den Bauchnabel aufgeknöpftes Hemd oder durch ein bis zur Brust hochgerutschtes Hemd. Kundige Beobachter wissen sofort, hier sind Schachspier vor Ort.
Nun ein Berliner, leider nicht zum Essen.
Gefühlt steht Schwarz schon nach 10 Zügen breit. Weiß ist voll entwickelt. Schwarz hat den König in der Mitte und hat Entwicklungsrückstand. Aber Weiß kann daraus kein Kapital schlagen, absolut unverständlich. Im Gegenteil, Schwarz windet sich heraus und kann im 18. Zug noch einen Bauern gewinnen, und das recht einfach. Weiß verteidigt sich nun 71 Züge mühsam und muss auf seine Chancen warten, die auch kommen. Dumm nur, dass Weiß diese nicht sieht, 64. Se1 oder das schöne 67. Sc2+ mit Zwangspatt und das Remis wäre sicher gewesen.
Am Nebenbrett wird sich geräuspert, dass der Tisch bebt. Der Brettnachbar räuspert sich alle 2 Minuten derart lautstark, dass das Schachkid aus seiner Konzentration aufschreckt und zunehmend wütend wird. Kann man sich nicht leise räuspern oder muss man da damit immer eine Stimmübung wie ein Opernsänger veranstalten? Das Schachkid überlegt, dem Brettnachbarn zur Seite zu nehmen und ihm ein paar Take zu sagen. Damit hat das Schachkid gute Erfahrungen bei nervigen Handytelefonieren im Zug gemacht. Offenbar wirkt das etwas massige Schachkid ein wenig einschüchernd. Das Schachkid entscheidet sich für den subtileren Weg, eilt zum Schiritisch, stibitzt ein Eukalyptusbonbon und legt es dem Brettnachbarn auf den Partiezettel. Der guckt ratlos, fragt wenig späetr nach, ob das ein Geschenk sei. Das Schachkid nickt eifrig. Der Brettnachbar schreitet zur Tat und lutscht, was das Zeug hält – Problem behoben.
Immerhin, das Schachkid hat bis auf einen Bauern nichts stehen lassen. Der gute Vorsatz, lange nachzudenken, hat gleich mal die längste Partie des Abend prodizert mit 4,5 Stunden. Umso ärgerlicher ist es, wenn das Schachkid gute Stellungen nicht gewinnen kann oder ein Remis durch Patt übersehen wird. Das Schachkid ist etwas ratlos, wie es damit umgehen soll.
67. Sc4 ist schade … tut schon fast ein wenig weh … 😉
Oh ja, das wäre ein wirklich schöner Zug gewesen.