14. Januar 2025

Keine Etikette in der Oberliga

Beim PSV Potsdam war ein Schachwochenende. Doppelrunde in der Oberliga, einfache Runde in der Regioalliga und Regionalklasse. Das Schachkid war jeweils vor Ort und gastierte am 1. Brett in der Regionalliga. Man müsse meinen, in der Oberliga, immerhin ist man hier unter der 2.Bundesliga, herrscht ein Niveau. Ein gutes Benehmen, das Gegenteil ist der Fall. Während in der Regionalliga gutes Benehmen herrscht.

Los ging es am Samstag. Um 14.00 Uhr geht die Oberliga gegen Görlitz los. Der dicke Doktor ist ins Spiellokal geeilt. Das Schachkid präferiert Erholung auf der Coach. Um 16.15 Uhr fragt der Schachwizard an, ob man nicht mal gucken wolle. Um 17.15 Uhr  könne man losfahren. Das Schachkid gibt zu Bedenken, mal solle doch bitte gleich losfahren. Sonst lohnt es sich nicht mehr. Da schon alle fertig seien. Nein, meint der Schachwizard, die spielen alle, er melde sich.

Das Schachkid hat erhebliche Zweifel. Aber die Aussicht, vier Oberligamannschaften zu sehen, lockt das Schachkid. Denn monatelang hieß es im Verein, man richte einen Doppelspieltag mit vier Mannschaften aus. Als sich der Schachwizard endlich meldet, ist es schon 17.30 Uhr und es steht 1:1. Als man dann endlich beim Schachwizard abfährt um 17.45 Uhr, steht es 2:2. Zudem eröffnet der Schachwizard dem Schachkid, dass nur zwei Mannschaften spielen. Man habe halt was falsches gedacht. Ehe man beim Spiellokal ankommt, steht es 2:4.

Das Schachkid wurde also ganz klar unter Vorspiegelungen falscher Tatsachen ins Spiellokal gelockt. Nur eine Mannschaft, kein Babelsberg und keine Partien zum zugucken. Nur zwei langweilige Turmendspiele. Darunter der dicke Doktor, der stets und immer bei jeden Turnier ewig braucht. Das Schachkid kann gar nicht zählen, wie viel Lebenszeit es schon auf den dicken Doktor gewartet hat. Auch auf dem Schachwizard, der stets und immer zu spät kommt. Aber der Doktor, der spielt und spielt und spielt. Das Schachkid bereut schon, das Sofa verlassen zu haben.

Das Schachkid wirft ein Auge aufs Buffet. Hier ist nichts mehr zu holen. Görlitz hat aufgeräumt. Sogar das letzte Stückchen Kuchen, auf das das arme Schachkid ein Auge geworfen hat, wird dem Schachkid weggeschnappt. Was für eine gefräßige Mannschaft. Nur der Kartoffelsalat wird verschmäht.

Ansonsten ist die Mannschaft überraschend jung. Ein Schwabe ist dabei. Und etliche Tschechen. Die einen lustigen deutschen Akzent haben. Teile der Mannschaft verstehen kein Deutsch und müssen auf Englisch palavern. Diese bunte Mischung ist jedenfalls nicht das, was das Schachkid mit Görlitz verbunden hätte. Die Sachsen schlafen preisbewusst im Dreibettzimmer und waren auch sonst sehr pünktlich da. Um 14.00 Uhr geht die Runde los, um 13.00 Uhr schließt der dicke Doktor das Spiellokal auf. Um 13.05 wird ein Görlitzer Tscheche unleidlich, weil es noch keinen Kaffee gibt. Da musste der dicke Doktor wohl Erwartungsmanagement betreiben.

Die beiden Schachpartien gehen jedenfalls ewig und das Schachkid fragt sich, was es hier bis 19.30 Uhr (!) macht. Immerhin, Dank der Kindle App schaft das Schachkid etliche Kapitel von „Perry Rhodan 162  -Tod eines Kriegers“. Und am Abend gibt es Ouzo zur Entschädigung.

Nächster Tag neues Glück. Der dicke Doktor appelliert eidringlich an das Schachkid, den Schachwizard um 8.40 Uhr vor die Tür zu bestellen, damit er pünktlich um 8.45 Uhr vor der Tür steht. Das Schachkid ist dagegen. Der Schachwizard ist für seine Verhältnisse überpünktlich um 8.46 Uhr anwesend.

Heute nun drei Mannschaften. Heute kommt eine unsymphatische Mannschaft auf Forst. Der Einzige, der in der Oberliga Anzug und Schlips, einen sehr hübschen Schlips mit Schachmotiven, trägt, ist der Schiri. Ansonsten setzt man  sich schon mal in tarnfarbener Hose ans Schachbrett. Auch die Forster sind eine bunte Mischung aus einheimischen älteren Spielern und einen großen Anteil polnischer Spieler.

Das Schachkid weiß nicht, ob Forst oder Görlitz die Mannschaft nicht mit eigenen Spielern füllen können und dann sozusagen ausländische Spieler anwerben und bezahlen oder ob es in Polen und Tschechien keine attraktiven Punktspiele gibt. Sicher ist es wie im Fussball, je höher die Liga, desto mehr Profis werden  angeworben und eingekauft. Extrembeispiel ist der SV Rüdersdorf, der jahrelang die Oberliga und dann auch in der 2. Bundesliga eine rein polnische Mannschaft einsetzte und dann  aufstieg und doch nicht aufstieg und an allen möglichen Stellen für den Aufstieg klagte. Das Schachkid fragt sich, was hat man als Verein davon, wenn man keine eigene Nachwuchsarbeit macht, die oben mitspielen kann und gute Spieler einkauft, die mit dem Rest des Vereins so gut wie nichts zu tun haben? Was ist da das Geschäftsmodell? Da ist das Schachkid stolz auf den PSV. Die Mannschaft ist nicht der Favorit in der Oberliga. Aber es sind alles Eigengewächse. Niemand ist eingekauft und niemand wird bezahlt fürs Spielen.

Die Forster sind auch der unhöflich. Dem Olli wird gleich mal nach 20 Minuten Remis angeboten, Wozu fährt man von Forst nach Potsdam, um gleich Remis anzubieten? In einem Raum spielt die Oberliga, in einem anderen Raum die Regionalliga, dazwischen ist ein Flur. Um die Ecke ist ein Analyseraum. Die Zeit schreitet voran, die ersten Bretter in der Oberliga sind fertig. Forster Spieler unterhalten sich lautstark im Flur und nerven die Regionalliga. Also werden bei beiden Räumen die Türen zugemacht.

Die Türen sind ein Kapitel für sich. Naturgemäß wird der Raum der Oberliga betreten und verlassen, Die Potsdamer schaffen es, die Tür wie ein normaler Mensch, die Tür leise zu schließen. Eine Fähigkeit, die die Forster Spieler offenbar nicht haben und die Tür jeweils lautstark ins Schloss fallen lassen, sodass der halbe Raum zusammenzuckt.

Weiter geht es. Im Raum der Regioalliga spielen noch drei Bretter. Was zwei Spieler aus Forst nicht anficht. Der Analyseraum ist offenbar ungeeignet. Sodass man beginnt, an einem fertigen Brett der Regionalliga lautstark eine Partie zu analysieren. Der Schiri der Regionalliga, El Presidente, schmiert gerade Brötchen. So baut sich das Schachkid drohend mit seinen 132 kg auf und wirft die beiden Polen aus dem Raum.

Ähnliches Szenario zwei Stunden später. Die Regionalliga ist fertig. Man räumt die Bretter weg, stellt die Stühle hoch… Nur an einem Tisch sitzen zwei Polen. Wieder nicht im Analyseraum, sondern analysieren unverdrossen bei der Regioalliga. El Presidente bittet die beiden dreimal, in den Analyseraum zu gehen, ohne Erfolg. Drumherum um die beiden steht schon kein Stuhl mehr. Wieder reckt das Schachkid drohend seinen Bauch.

Null Emphatie und null Benehmen hat diese Mannschaft. Das Schachkid plädiert dafür, für den Aufstieg in die Oberliga einen Benimmtest einzuführen.

Da ist Nauen aus anderen Holz geschnitzt, Zehdenick sowieso. Beide Mannschaften in der Regionalliga und Regionalklasse sind eine Mischung aus alt und jung. Zehdenick bringt als Bonus noch einen Datenschutzbeauftragten mit. Höflich wird miteinander umgegangen, sich leise verhalten und nach der Partie brav im Analyseraum geschaut. Was die polnischen Oberligaspieler nicht auf die Reihe kriegen, schaffen Nauener Teenager ohne Probleme.

Schach wurde auch gespielt. Das Schachkid ist überrascht, dass Nauen kommt.  Bis 10 Minuten vor dem Punktspiel glaubte das Schachkid jedenfalls, dass man gegen Oranienburg spielte. Da ist die Vorbereitung gleich dahin. Caro-Kann mit Dh6, das findet der Gegner nicht gut. Es sieht auch  nicht gut aus für das Schachkid. Wähnte sich das Schachkid mit einem Mehrbauern auf der Siegerstrasse, droht der Gegner plötzlich einen Leichtfigurengewinn. Das Schachkid laviert herum und kann den Springer gegen zwei Bauern und die Qualität tauschen. Unter dem Strich kommt ein für beide Seiten schweres Endspiel heraus, wo sich der schwarze Freibauer auf der c-Linie dann aber doch stärker als die weiße Mehrfigur erweist. Eine schöne Partie. Und wenigstens futtert Forst nicht das Buffet leer.

Sollte das Schachkid je Oberliga spielen, wird es nur im Anzug auflaufen. Mit Langschach war es das erstmal. Am kommenden Samstag steht nun erstmal der Wintercup in Rüdersdorf auf dem Programm.

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