12. Oktober 2014

Psychokrieg in Müncheberg

Die wilden Schachhorden aus Briesen fielen am 12. Oktober 2014 in Müncheberg ein, um die dortige Mannschaft beim fälligen Punktspiel der Regionalliga Ost zu besiegen. Die Mannschaft befürchtete ein schweres Spiel und eine drohende Niederlage. Aber  der Vereinschef verstand es, seine Mannschaft zu motivieren. “Gewinnen wir in Müncheberg, gibt es nächsten Freitag ein Fest.” so hallte sein Schlachtruf durch Briesen.

Das Schachkid kam leider etwas zu spät am Spiellokal an. Es hatte frühs einen Blick in den Spiegel geworfen und festgestellt, dass seine wallende Mähne dringend geordnet werden müsse. Also las es im Internet nach, wie man die Haare geschickt mit Haarwachs stylt und den Surferlook herstellt. Leider vergaß das Schachkid darüber die Zeit, und die Frisur war auch ruiniert.

Das erste, was dem Schachkid in Müncheberg auffiel, waren die vielen Straßennamen aus sozialistischen Zeiten. Das Schachkid fuhr durch eine Karl-Marx-Straße und das Spiellokal befand sich in der Ernst-Thälmann-Straße. Offensichtlich gibt es also Orte, wo nach der Wende nicht jede Straße panisch umbenannt wurde.

Das Schachkid traf am Ort des Geschehens ein und wurde von der Mannschaft freudig begrüßt, denn es war wie gesagt spät dran. Alle waren hochmotiviert, beim Berufspolitiker saß die Frisur. Der kann die Haare gelen, da wurde das Schachkid neidisch ob der eigenen mißratenen Frisur.

Es ging gut los, nach wenigen Minuten führte die Briesener Garde. Philipp Heinrich fuhr mangels Gegner seinen Punkt ein. Doch die Müncheberger hatten eine Geheimwaffe, DIE HEIZUNG. Selbige röhrte, pfiff und brummte mit der Lautstärke eines Güterzuges gute 90 Minuten vor sich hin. Der halbe Briesener Vertretung flüchtete sich nach jeden Zug auf die Straße. Der Müncheberger Jörn Gehrke war schon weiter und trug Ohrenstöpsel.

Zusätzlich erschwert wurden die Spiele durch den Umstand, dass die Müncheberger Uhren einfach nicht blinken, wenn man dran ist. Das Schachkid hat genau gesehen, dass es digitale Uhren waren, aber es blinkte nix. Auch die an der Wand hängende Keule ließ nix Gutes hoffen. Das Schachkid ist sich nicht ganz sicher, ob es nur Deko war.

Die Briesener Führung war alsbald dahin. Anja Braun musste sich am letzten Brett Mario Weihert geschlagen geben. Dieser gewann nach wilden Scharmützel im Mittelspiel die Qualität und Bauern und übte tödlichen Druck auf die Schwarze Stellung aus.

Friedlich und somit Remis trennten sich Volker Heinrich und Dr. Frank Garbin am dritten Brett. Mit festgelegten Bauernstrukturen auf dem Brett und ausgeglichenem Material war nicht mehr zu holen.

Das Müncheberger Nachwuchstalent Clemens Hoyer trumpfte gegen Lothar Bindernagel auf und hatte im Endspiel einen Freibauern auf der a-Linie vorzuweisen. Zusätzliches Argument war der Läufer von Clemens, der gegen einen Springer agierte. Der Briesener Nestor Bindernagel schaffte es, die Leichtfiguren abzutauschen und ein variables Bauernpaar zu bilden. Der Nachwuchs versuchte trickreich, einen der Freibauern en passant zu schlagen. Leider hatte er die falsche Reihe erwischt und so blieb der Freibauer wo er war, nämlich auf den Weg zur Dame. So wurde hier der Punkt für Briesen alsbald eingefahren.

Daniela Heinrich, die dritte Vertreterin aus der Briesener Schachdynasty vor Ort, musste sich in der sizilianischen Eröffnung gegen den stark aufspielenden André Kaiser behaupten. Beide Seiten lavierten im Mittelspiel lange hin und her und suchten nach Angriffspunkten in der gegnerischen Stellung. Der Müncheberger wurde fündig und konnte erst einen Springer, dann den Läufer erobern. Punkt und Ausgleich für Müncheberg.

Auch der Briesener Marco Belling am vierten Brett spielte eine stark taktisch geprägte Partie gegen seinen Mücheberger Kontrahenten Gehrke. Letzterer schlug beim Gegner auf d7 ein, gab die Qualität und hatte dafür vielversprechenden Angriff. Der schwarze König des Briesener Schatzmeisters sah sich plötzlich bloß gelegt vom gegnerischen Läuferpaar und der Dame umgeben. Nach langer und zäher Verteidigung musste Belling die Waffen strecken, Führung für Müncheberg.

Rene Kellner am fünften Brett hatte es mit Jürgen Winter zu tun, einen zäh verteidigenden Müncheberger Spieler. Kellner probierte die englische Eröffnung und versuchte, den schwarzen Damenflügel zu demontieren. Winter lavierte sorgsam mit seinem Figuren und hielt seine Bauern zusammen. Nicht hilfreich war, dass Kellner einen Bauerngewinn übersah. Nach langen Hin- und Hergeschiebe musste der Müncheberger sein Läuferpaar gegen die weißen Springer geben. Der Briesener wickelte ins Endspiel ab, öffnete Linien und brachte sein Läuferpaar zur Geltung. Gleichwohl bot sich für den Schwarzen die Möglichkeit, mit einem starken Schach und anschließenden Springeropfer auszugleichen. Doch die Chance wurde durch Winter vertan. Kellner konnte mit seinem König in die gegnerische Stellung eindringen und Bauern gewinnen. Ausgleich für Briesen.

Auf die Partie Nagler-Budach kam es nun an. Der Müncheberger Jörg Nagler ist in Briesener Kreisen als Angriffspieler gefürchtet. Doch mit dem Briesener Olaf Budach saß ihm ein kaltblütig agierender Gegner gegenüber. Beide Spieler schenkten sich nichts. Der Müncheberger drohte auf der h-Linie mit dem Turm einzubrechen. Doch der Briesener hielt seine Stellung zusammen und verteidigte zäh. Sorge bereitete die Bendekzeit von Budach. 10 Minuten für die komplizierte Stellung und den Rest der Partie standen mehr als eine Stunde Bedenkzeit des Münchebergers gegenüber. Der Zeitnotkrimi löste sich überraschend nach vier Stunden Spielzeit auf – Dreimalige Stellungswiederholung und somit Remis am zweiten Brett.

Das Schachkid ist mit seiner Partie halbwegs zufrieden. Im 21. Zug hat es einen Bauerngewinn übersehen. Der Gegner hatte im 34. Zug eine schöne Kombination mit einem scheinbaren Springeropfer drin, was aber die Qualität gewinnt. Das Schachkid ist froh, dass es der Gegner nicht gesehen hat.

Am Ende wurde es ein für beide Mannschaften ein verdientes 4:4, also kein Fest in Briesen? Aber vielleicht ein Festchen, also ein Fässchen? Das Schachkid wird berichten, wie sich der Vereinsschef aus der Affäire zieht.

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