31. Dezember 2018

28. Erfurter Schachopen – Im Turnier angekommen

Vor dem Spiel nimmt das Schachkid in der Lobby Platz und widmet sich der entspannenden Zeitungslektüre. Im Sessel nebenan hockt ein 13-jähriger Knabe und jammert herum. Fünf Partien gespielt, 25 Stunden am Brett gesessen. Das pisse ihn an. Und die Bedenkzeit sei viel zu kurz mit 2,5 Stunden. Tja, möchte das Schachkid dem Knaben antworten, Zeitmanagement muss man eben auch lernen. Vermutlich wird der griesgrämige Teenager auch mit 5 Stunden Bedenkzeit in Zeitnot kommen.

Das Schachkid hat das Problem eher andersrum –  zu schnell trotz genug Zeit. Zeitmanagement muss eben auch das Schachkid noch lernen. Bei der nächssten Partie haben der Ralf und das Schachkid endlich das Gefühl, im Turnier angekomen zu sein. Man denkt nach und möchte am liebsten die ersten Runden beim Turnierleiter annullieren lassen.

Den Zug 4. c4 hält das Schachkid für abenteuerlich. Das scheint wirklich Theorie zu sein. Aber wer lässt sich freiwillig einen Isolani verpassen, gegen den Schwarz dann spielen kann? Das ist dann auch der Plan des Schachkids. Es wird dann abrer doch der Mehrbauer auf a2. Anschließend gleich den Damentausch zu forcieren ist wohl keine gute Idee für Weiß. Mit weniger Figuren sollte man das Spiel kompliziert halten. Wobei das nun kommende Turmendspiel auch kompliziert genug ist. Man rückt die Steine hin und her, aber die Wende ist wohl 36. g4. Das macht die Bauernstruktur und das Endspiel für Weiß kaputt. Spätesstens ab dem 36. Zug, als Schwarz zwei Bauern mehr hat, ist es entgültig gewonnen. Und das Schachkid ist genervt, das die Gegnerin nicht aufgibt. Das ist zwar ihr gutes Recht. Wann aber eine Stellung aussichtslos ist und der Gegner offenbar die Grundlagen des Endspiels beherrscht, sollte man schon merken.

Zwischen den Runden haben der Ralf und das Schachkid ein straffes Programm. Zuerst wird einmal Geld benötigt. Das benötigen andere Leute auch – die Stadt ist megavoll. Der Weihnachtsmarkt hinter dem Dom wird angesteuert. Ein Glühwein mit Schuss trägt wesentlich zur Vorbereitung auf die nächste Runde bei.

Auf dem Domstufen gibt es neben dem Kreuzritter und nepalesischer Kleidung auch einen Stand mit Bildern mit Geschmack. Das Schachkid sieht sich schon an einem Gemälde rumlecken und tritt interessiert näher heran. Der Künstler malt Bilder und klebt diese kurzerhand auf Flaschen mit klaren Inhalt. Das Schachkid denkt an seine Skatrunde im heimatlichen Potsdam und nimmt ein paar leckere Bilder mit. Der Künstler hat nebenbei den “Kleinen Erfurter” erfunden.  Den kleinen Erfurter gibt es auf allerlei Dingen zu kaufen und soll vor allem die Erfurter Mundart verbreiten.

Wenn man einmal da ist, wird noch ein Schwätzchen mit dem Kreuzritter gehalten. Der entpuppt sich als Trekkie. Und sorgt für Ralfs und des Schachkids Weiterbildung. Wer hätte auch gedacht, dass Kreuzritter auf Französisch oder Spanisch „Ferrenc“ heißen und die Ferrengi bei Star Trek daher Ihren Namen haben.

Weiter geht’s zu Viba. Der Schmalkalder Süßwarenhersteller hat hier einen schönen Laden. Heureka, eine Goldgrube. Es gibt B-Ware, fünf Fruchtschnitten für 0,75 Euro. Das Schachkid investiert in 5 Packungen.

Auf der Krämerbrücke geht noch ein Eierlikör to go. Danach wird zum Hotel geschwankt.

Das Schachkid hat ein gewisses Mißtrauen gegenüber Männer mit Vollbärten. Der Gegner hat natürlich einen, dazu noch einen sehr zotteligen, der aber um den Mund herum wegrasiert ist. Das Schachkid ist kein Modeberater, kommt aber nicht umhin, ständig den Impuls zu verspüren, eine Rasur zu empfehlen. Zudem der Gegner aus Hessen das Vorurteil auch nicht bestätigt und sehr nett ist. Er gewinnt, wieder einmal durch zu schnelles Spiel des Schachkids, einen Bauern und rettet den Bauern auch im Endspiel, was aber durchaus kompliziert ist und vom Schachkid hätte aktiver gespielt werden können. Zudem hat sich der Gegner ausgerechnet vor einiger Zeit den Maroczy-Aufbau angeguckt, den das Schachkid mal von FM Felix Meißner gelernt hat.

Während der Partie wird geshoppt. Vor der Tür steht ein Händler, der T-Shirts mit lustigen Schachlogos bedruckt. Was für eine schöne Idee, das Schachkid nimmt zwei Shirts und wird sie beim nächsten Punktspiel ausführen.

Der Schachhändler EuroChess nebenan hat allerlei Interessantes dabei. Das Schachkid hat sich vorgenommen, kein Buch zu kaufen, da diese „nur daheim herumstehen“. Das Schachkid nimmt zwei Stück. Ein Eröffnungsbuch kann man zum Nachschlagen schließlich immer brauchen. Und das Buch “Der KGB setzt matt. Wie der sowjetische Geheimdienst die Schachwelt manipulierte” klingt extrem spannend. Es schildert, wie der Großmeister Boris Gulko, in Erfurt geboren (so schließt sich der Kreis) mit seiner Ehefrau einen Ausreiseantrag aus der Sowjetunion stellt und jahrelange Repressalien in Kauf nehemn muss.

Der Schachhändler ist sich sicher, dass seine Internetseite von russischen Hackern angegriffen wurde, als er das Buch beworben hat. Auch sonst hat er viel Kurioses dabei. Alte Bücher, die als Sammlerstücke bis zu 200,- € kosten. Ein Buch mit einem Autogramm von John Nunn. Und ein Buch zur Aljechin-Verteidigung mit Begleitdiskette!

Der Abend nimmt den üblichen Verlauf – Wildschwein im Naumburgischen Keller und anschließend Gesellschaftstrinken an der Hotelbar.  Ralf riecht, voller Freude über seine heute erzielten 1,5 Punkte am Whisky und das Schachkid fragt sich, wieso man dieses Jahr nicht die Teilnahme am attraktiven Rahmenprogramm mit Skatturnier, Würfelblitz und Doppelkopfturnier schafft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.